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Das Gurren der Tauben (German Edition)

Das Gurren der Tauben (German Edition)

Titel: Das Gurren der Tauben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Schneider
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ü rde er mir
Handschellen anlegen, doch das sollte mich diesmal nicht stoppen.
    Den oberen Teil
meines Fensters konnte ich mithilfe einer Eisenstange auf-und zuklappen. Bei
aller Perfektion der Sicherheitsma ß nahmen, war das ein Schwachpunkt, der mir seit langem
aufgefallen war. Ich begann, die Stange hin und her zu biegen. Nach wenigen
Minuten brach sie ab.
    Ich hatte nur
den einen Wunsch, Rotb ä ckchen damit den Sch ä del einzuschlagen. Ich wollte jeden erschlagen, der mir ü ber den Weg
lief. Ich hatte den Verstand verloren und konnte nicht mehr klar denken.
    Ich war
entschlossen, so viele von DENEN zu t ö ten, wie m ö glich. Danach konnten sie mich ruhig erschie ß en oder totpr ü geln. Das war
mir egal. Lieber tot, als dieses Elend Tag f ü r Tag weiter ertragen. An jenem hei ß en Sommertag im
Jahre 1982, war ich zu allem bereit.
    Ich stellte die
Eisenstange in den toten Winkel neben das Gitter und konnte es kaum abwarten,
dass Rotb ä ckchen kam. Ich
sah mich in Gedanken, wie ich ihm den Sch ä del einschlug und h ö rte eine innere Stimme: “ Du musst es tun! ”
    Doch da war auch
eine andere Stimme. Sie argumentierte, dass ich durch eine unbeschreiblich
schwere Zeit ging, doch dass morgen schon alles vorbei sein konnte. War ich
nicht immer ein K ä mpfer gewesen? Jemand der nie aufgab? ...
    Da waren Ger ä usche im Flur.
Sie kamen! Ich stand auf und stellte mich unters Fenster. Die T ü r wurde leise
aufgeschlossen, vollkommen untypisch f ü r Rotb ä ckchen. – Nein! Das war er
gar nicht. Es war Latschenpaul, einer von den Wenigen, die mich nicht wie den
letzten Dreck behandelten. Ich konnte doch nicht – Bl ö dsinn, ich konnte! Er war letztendlich auch einer von
DENEN.
    Latschenpaul
schloss das Gitter auf ohne mir vorher Handschellen angelegt zu haben. Was war
das? Wollte das Schicksal mich herausfordern? Zuvor, war es so gut wie nie
passiert, dass das Gitter aufgeschlossen wurde, ohne dass ich Handschellen
trug. Eigenartig. Latschenpaul sagte irgend etwas und l ä chelte mich an.
    Ich ging vor ans
Gitter, meine inneren Stimmen diskutierten miteinander. Ich blickte auf die t ö dliche Waffe,
die an der Wand lehnte und darauf wartete in die Hand genommen zu werden. Ich z ö gerte ... Irgend
etwas lie ß mich
weitergehen.
    Ich nahm das
Reinigungszeug und sah, dass nicht einmal ein zweiter Sicherungsposten im Flur
stand.
    Als die T ü r zu war, warf
ich mich aufs Bett. Gott sei Dank! ... Gott sei Dank! Ich hatte mir soeben das
Leben gerettet! Ich starrte an die Decke und Freudentr ä nen rannen ü ber meine
Wangen. Zum ersten Mal in meinem Leben h ö rte ich die Engel singen. Es war ein wundersch ö ner Chor.
    Minuten zuvor,
hatte ich noch das unwiderstehliche Verlangen gehabt zu t ö ten. Doch jetzt
war ich so gl ü cklich, dass ich
dem nicht nachgegeben hatte. Ich wusste nicht, warum. Doch egal aus welchem
Grund, ob aus Angst oder gesundem Menschenverstand: Ich hatte es nicht getan.
Und nur das z ä hlte.
    Pl ö tzlich f ü hlte ich mich
stark. Ich war wieder obenauf. Sie w ü rden mich nie brechen. Nicht die!
    Als Latschenpaul
kam um das Reinigungszeug abzuholen, gab ich ihm die Eisenstange. Ich sagte,
sie sei abgebrochen, als ich das Fenster ö ffnen wollte. Er zweifelte nicht an meiner Geschichte.
    Der Sommer ging
vor ü ber und ich
lebte mein Leben in der kleinen Zelle. Es gab Tage, an denen mir meine
Situation nicht das Geringste ausmachte, an denen ich das alles als
Herausforderung betrachtete und mich selbst daf ü r lobte, was ich f ü r ein harter Kerl war. Ich spr ü hte vor Zuversicht
und war mir sicher, dass niemand und nichts mich aufhalten konnte.
    Es gab Menschen,
die viel schlimmer dran waren als ich – Menschen die gel ä hmt, blind oder anderweitig behindert waren. Es gab
Menschen, die seit 10, 20 oder 30 Jahren hinter Gittern sa ß en. Und ich, der
gerade mal 12 Monate abgesessen hatte, beschwerte sich?! ...
    Doch an manchen
Tagen hatte ich nicht einmal den Bruchteil dieser Energie. Ich war am Boden
zerst ö rt und wusste
nichts mit mir anzufangen. Ich h ö rte immer wieder Meckerts sanfte und doch so brutale
Stimme: “ Ich beantrage
eine Lebensl ä ngliche
Freiheitsstrafe ... ”
    An solchen Tagen
war mein Leben f ü r mich eine einzige Katastrophe und ich hatte nur den Wunsch zu sterben.
    *

 
    Es war ein
Donnerstag. Sie holten mich kurz nach dem Mittagessen. Wir gingen den Flur
entlang, durch den ich ein Jahr zuvor bei meiner Ankunft gekommen war, und
blieben vor einer

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