Das Gurren der Tauben (German Edition)
mit der Zeit. Wir mussten vier Federn und einen
Steller in ein Plastikgeh ä use einsetzen und festschrauben. Unsere Werkzeuge waren zwei
Schraubenzieher sowie ein Ger ä t um die Federn und Steller einzupressen. Wenn man den Trick einmal
raushatte, war es leicht die Norm zu schaffen. Andreas wirbelte mit den
Schraubenziehern, als ob er nie etwas anderes im Leben getan hatte.
Gegen 9 Uhr fand
der Materialtransport statt. Daf ü r riegelte mich Andreas wieder in meiner Zelle ein. Er
und Mario trugen die Kisten mit den fertigen Teilen hinaus auf den Flur und
holten die Kisten mit dem neuen Material herein. Als mittags die K ü bel mit dem
Essen kamen, wurde ich wieder eingeriegelt w ä hrend Andreas und Mario sie hereinholten.
Andreas riss
einen Witz nach dem anderen. Ich lachte mich halb tot ü ber seine Gesten
und Grimassen. Er hatte definitiv Talent daf ü r und h ä tte lieber Komiker statt Vergewaltiger werden sollen.
Wenn er seine
Witze erz ä hlte, dachte ich,
wie gl ü cklich ich war.
Zum ersten Mal seit langem, konnte ich wieder unbeschwert lachen. Ich sa ß zwar immer noch
im Gef ä ngnis und hatte
lebensl ä nglich, doch
verglichen mit der Einzelhaft, f ü hlte ich mich nun wie im Paradies.
Ich sprach viel
mit Andreas, obwohl mir seine uners ä ttliche Neugier manchmal auf den Geist ging. Mario hatte
sichtliches Vergn ü gen daran uns zuzuh ö ren, beteiligte sich aber nicht an den Gespr ä chen.
Freistunde war
gegen 14 Uhr. Das Prozedere war dasselbe wie die Jahre zuvor in der Einzelhaft:
Ich steckte meine H ä nde durch die Gitter ö ffnung um mir die Handschellen anlegen zu lassen. Dann trat ich zur ü ck hinter die
wei ß e Linie und das
Gitter wurde aufgeschlossen. Auf dem Weg hinunter zum Freihof – denselben auf
dem ich die letzten f ü nf Jahre gewesen war – stand an jeder Ecke ein W ä rter. Doch eine Sache hatte sich ge ä ndert: Ich durfte im Kreis gehen und Sport machen. Dass
ich Handschellen trug, hielt mich nicht davon ab zu rennen und Gymnastik zu
machen.
Es gab keine
feste Arbeitszeit. Wir fingen am Morgen nach der Z ä hlung an und
machten Feierabend wenn wir die Norm drin hatten, was gew ö hnlich bis zur
Freistunde der Fall war. Danach ging jeder seinen eigenen Gesch ä ften nach.
In der ersten
Zeit, sa ß ich mit Andreas
immer vor dem Fernseher, w ä hrend Mario bis zum Abend arbeitete. Das lag an seiner Tr ä gheit, denn w ä hrend der ersten
Tagesh ä lfte, bekam er
fast nichts auf die Reihe: Zuerst fr ü hst ü ckte er eine geschlagene Stunde, dann sa ß er eine Stunde auf der Toilette, wobei er mit seinem
Gestank den ganzen Bereich verpestete. Nach dem Mittagessen g ö nnte er sich
eine weitere Pause.
Offiziell,
durften wir den Fernseher nicht vor 16 Uhr einschalten. Doch Andreas sagte, die
W ä rter h ä tten nichts
dagegen solange wir “ keinen Ä rger machten ” . Krimis durften
wir nicht sehen, weil sie nicht erziehungswirksam waren.
Ich lebte mich
schnell ein und bevor ich mich versah, stand Weihnachten schon wieder vor der T ü r. Meine Mutter
schickte mir ein Paket. Es war das erste, das mir komplett ausgeh ä ndigt wurde. H ä hnchen brachte
es pers ö nlich. Dabei
fiel mir ein, dass noch eine Menge Zeug wie Kaugummi, Tee und Rasierwasser von
vorherigen Paketen, in seinem B ü ro sein musste. Ich bat ihn, mir die Sachen bei Gelegenheit vorbei zu
bringen.
H ä hnchen bestritt
noch irgend etwas von mir in seinem B ü ro zu haben. Er lief rot an, plusterte sich auf und
fragte, ob ich ihn des Diebstahls bezichtigen wolle. Mit den Worten, dass er “ keinen Wert auf
kapitalistische Westsachen ” lege, zog er sich entr ü stet zur ü ck.
Wie immer war
fast der gesamte Inhalt des Pakets aus dem Intershop. Andreas, der ein echtes
"Zonenbrot" war, schaute mir mit offenem Mund beim Auspacken zu und
schlug vor, dass wir uns zu Weihnachten gegenseitig beschenken. Er w ü rde sich ü ber eine
Kaloderma freuen ...
Ich war
einverstanden und sagte ihm, dass ich Mario eine Tube Blend-a-med geben w ü rde. Er riet mir
davon ab. Warum, wolle er mir erkl ä ren, wenn Mario mal weg sei. Er prophezeite, dass ich mit
den Ohren schlackern w ü rde.
Als H ä hnchen einige
Tage sp ä ter kam, um
Mario zu seiner Besuchsdurchf ü hrung abzuholen, rief er mich ans Gitter und gab mir einen Karton mit
Kaugummis, Tee und Rasierwasser. “ Sind Sie jetzt zufrieden?! ” , fuhr er mich an.
Es fiel mir
schwer nicht loszulachen.
Direkt nachdem
Mario weg war, kam Andreas in meine Zelle. “
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