Das Gurren der Tauben (German Edition)
schwere Stickverletzungen beibrachte, war allein dem Ehemann zu
verdanken: Er war der Hausmeister. Als er die Schreie seiner Frau h ö rte, kam er in
die Wohnung und ü berw ä ltigte den
Sittenstrolch, der, wie er in seiner Stasi-Terminologie versicherte, in der
Zwischenzeit jedoch "von seinem Plan die Frau zu t ö ten Abstand
genommen hatte".
Und genau aus
dem Grund waren die 13 Jahre, zu denen er verurteilt worden war, v ö llig
unangemessen. Die hatten sie ihm nur aufgebrummt, um sich an ihm zu r ä chen. Aber eines
Tages, w ü rden diese
Schweine ihrs auch noch bekommen!
Ich fand
erstaunlich, dass Andreas seine Geschichte so erz ä hlte, als ob die Vergewaltigung einer Frau und ihre
anschlie ß ende Ermordung,
das Normalste auf der Welt sei. Er war sich keiner Schuld bewusst. Die
Schuldigen waren seine Frau, die aus “ egoistischen ” Gr ü nden seine sexuelle Gier nicht befriedigen wollte, sowie seine ehemaligen
Genossen, die sich – f ü r was auch immer – an ihm ger ä cht hatten.
Es fiel mir
schwer meine Schadenfreude zu verbergen, als er erz ä hlte, dass er in
die gleiche U-Haft gesteckt wurde, in der er zuvor gearbeitet hatte und dass
seine Genossen, diese Schweine, so taten, als ob sie ihn nicht kennen w ü rden. Sogar sein
bester Freund, dem er mal beim Tapezieren geholfen hatte!
Andreas erz ä hlte mir, dass
in Bautzen einige Leute ihre Strafe absa ß en, die er in Potsdam bzw. Hohensch ö nhausen selbst
bewacht hatte. Aus diesem Grund war er im Isolationsbereich untergebracht. Er
befand sich sozusagen in Schutzhaft.
Als wir auf
meinen Gef ä ngnisausbruch zu
sprechen kamen, sagte er: “ Was Ihr gemacht habt, hat hohe Wellen geschlagen. So was hat ’ s in der DDR
noch nicht gegeben. Um eine Wiederholung auszuschlie ß en, wurden neue
Sicherheitslinien f ü r alle Strafvollz ü ge und Untersuchungshaftanstalten erarbeitet."
Als wir mit dem
Thema durch waren, wollte Andreas mir zeigen, warum ich es mir sparen konnte,
dem "doppelten Kinderm ö rder" eine Blend-a-med zu Weihnachten zu schenken. Daf ü r gingen wir r ü ber zu Marios
Zelle.
Waschbecken,
Konsole, Spiegel und Toilette waren total verdreckt. Mario hatte die ganzen
sechs Wochen, die er in der Zelle war, nicht einmal sauber gemacht. Dieser
seltsame Geruch, der mir an ihm aufgefallen war, hatte sich ü berall
festgesetzt.
Andreas zeigte
mir den Zahnputzbecher. Auf dessen Boden war eine dicke Staubschicht. “Ü berzeugt? ” , sagte er
triumphierend. “ Der putzt sich nie die Z ä hne. Und waschen tut der sich h ö chstens einmal pro Woche. ” Er ö ffnete eine mit Staub bedeckte Cremedose. Auf der Innenseite des Deckels
hatte sich gr ü ner Schimmel
abgelagert: “ Das Ding hat der
solange ich ihn kenne. Und das sind zwei Jahre. ”
Wir h ö rten Schl ü sselklappern und
machten, dass wir aus der stinkenden Bude kamen.
Als ich Abends
im Bett lag und nachdachte, stellte ich mir die Frage, warum Andreas mir von
seiner Stasivergangenheit und allem, was damit verbunden war, erz ä hlt hatte. Die
Antwort auf diese Frage fiel mir nicht schwer, denn inzwischen hatte ich ihn
kennengelernt. Seine auff ä lligsten Charakterz ü ge waren Instabilit ä t und Willensschw ä che. Und das war genau der Punkt. Er hatte mir nichts aus Freundschaft oder
Sympathie erz ä hlt, sondern einfach
nur, weil er es nicht f ü r sich behalten konnte. Er w ü rde mir alles erz ä hlen was Knautschbacke sagte. Andererseits w ü rde er
Knautschbacke aber auch alles erz ä hlen, was ich von mir gab. Es war also Vorsicht geboten.
Was Mario
betraf, beschloss ich ihn nach Weihnachten auszuloten. Dann wollte ich auch
sein Hygieneproblem ansprechen, denn das war beileibe nicht seine
Privatangelegenheit. Wenn er so weiter machte, w ü rde er uns noch L ä use oder wer wei ß was einschleppen.
Zu Weihnachten
gab ich ihm eine Tafel Schokolade plus ein paar P ä ckchen Kaugummis. Von ihm bekam ich einen
Kugelschreiber und von Andreas Briefpapier. Ü ber die Feiertage sahen wir fern und spielten Karten.
Verglichen mit den Vorjahren, war es ein fantastisches Weihnachten f ü r mich.
F ü rs neue Jahr
nahm ich mir vor wieder English zu lernen, denn dieses Hobby war in letzter
Zeit zu kurz gekommen. Ich beschloss auch, den franz ö sischen Grund-
und Aufbauwortschatz in Angriff zu nehmen. Bez ü glich Andreas und Mario, wollte ich mich in jeder
Situation umsichtig verhalten und gut mit ihnen auskommen.
Nach den 10
arbeitsfreien Tagen, hatte Andreas Probleme wieder in
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