Das Gurren der Tauben (German Edition)
Endlich sind wir mal unter uns. Der Typ lauscht mir zu
viel ” , sagte er mit
dem Finger in Richtung Marios Zelle deutend. “ Hast du ‘ ne Ahnung warum der drin ist? ”
“ Wegen Mordes ” , sagte ich.
“ Ich w ü rde sagen, das
ist leicht untertrieben. ” Andreas machte eine Pause um zu testen, welchen Eindruck diese Worte bei
mir hinterlie ß en.
“ Wie meinst du
das? ” , fragte ich.
“ Der Typ ist
wegen Doppelmordes drin. Der hat zwei Kinder umgebracht. ”
Ich schluckte: “ Was hat der? ”
Andreas
wiederholte, was er gerade gesagt hatte.
Ich war
geschockt: “ Woher wei ß t du das? Hat er ’ s dir erz ä hlt? ”
Andreas z ö gerte und
stammelte: “ Nein, ä h ... nicht
direkt ... Ist doch egal woher ich ’ s wei ß . ” Dann stand er
auf und sagte, er wolle uns eine Tasse Kaffee machen.
Nach einigen
Minuten kam er mit zwei dampfenden P ö tten zur ü ck. Ich sa ß auf meinem
Bett. Er setzte sich auf den Hocker.
“ Wir kennen uns
ja jetzt schon ein paar Wochen und ich finde, du bist ein super Typ ” , sagte er. Dann
hielt er inne um nachzudenken.
Die Situation
war komisch, irgendwie unangenehm. “ Ist der schwul und will mir jetzt sagen, dass er sich in
mich verliebt hat? ” , ging mir durch den Kopf, doch ich sagte: “ H ö r auf rumzudrucksen. Wenn du was zu sagen hast, sag ’ s! ”
Andreas sah mich
an, schluckte den Klos in seinem Hals herunter und platzte los: “ Ich war bei der
Stasi! ”
Mir fiel fast
die Kaffeetasse aus der Hand.
Nun, wo es raus
war, gab ’ s kein Halten
mehr: “ Ich war zuerst
in der Stasi-U-Haft in Hohensch ö nhausen. Dann habe ich in der Potsdamer gearbeitet. Manchmal war ich im
operativen Dienst eingesetzt – Absicherung bei Veranstaltungen. Ich wei ß alles ü ber deinen Fall. Ein paar Tage nach eurem Ausbruch, war bei uns im Objekt
eine Sonderversammlung ... Bevor du hierher verlegt wurdest, hat mich der
Verbindungsoffizier geholt. Er sagte, ich soll jede Woche einen Bericht ü ber dich
schreiben und die W ä rter sofort informieren, wenn du auch nur den entferntesten
Ausbruchsgedanken ä u ß erst. ” Andreas f ü hrte seinen
Kaffeepott zum Mund und sah mich an.
Ich sagte
nichts.
“ Was h ä ltst du jetzt
von mir? ” , fragte er
schlie ß lich.
Ich wusste es
nicht so recht und gab vorerst seine Nettigkeit zur ü ck: “ Ich finde dich
auch O. K. ... Ich meine, du bist ja jetzt nicht mehr bei der Stasi. Also warum
sollte ich was gegen dich haben? ”
Froh ü ber das
Kompliment, begann er sich sein Leid von der Seele zu reden: “ Diese Schweine
haben mein Leben versaut. Aber denen geht ’ s auch noch an den Kragen! ”
Auf meine Frage,
wen er mit “ Schweinen ” meint, sagte
er, seine ehemaligen Genossen. Dann gab er mir einen detaillierten Bericht von
seinem Verbrechen:
In der Potsdamer
Stasi-U-Haft hatte er auch mit weiblichen Insassen zu tun. Er beobachtete sie
durchs Guckloch wenn sie auf der Toilette sa ß en oder ihrer K ö rperhygiene nachgingen. Den Appetit den er sich dabei
holte, konnte seine Frau, die zu jener Zeit schwanger war, jedoch nicht
befriedigen. Da k ä me man als Mann auf seltsame Gedanken. Das k ö nne ich doch nachvollziehen-oder?
Ich nickte.
Eines Tages war
dann diese Frau da. Der absolute Hammer! Er beobachtete sie w ä hrend der
Nachtschicht und sah alles. Am Morgen danach trank er sich Mut an und
durchstreifte ein Wohngebiet am Rande von Potsdam. Er versuchte gegen diese
Gedanken anzuk ä mpfen, war aber
zu schwach.
Er dr ü ckte eine
Klingel auf gut Gl ü ck. Eine Frau mit "solchen Dingern" – Er malte mit den H ä nden enorme
Kurven in die Luft –ö ffnete. Er gab vor, ein DEFA-Regisseur zu sein, der auskundschaften wolle,
ob man von ihrer Wohnung aus eine gute Kameraperspektive hat. Nachdem er sich
vergewissert hatte, dass sonst niemand in der Wohnung war, setzte er seinen
perfiden Plan in die Tat um.
Die ahnungslose
Frau merkte bald, dass der Mann den sie reingelassen hatte, alles andere als
ein Regisseur war. Als sie sich gegen seine Zudringlichkeit zur Wehr setzte,
brachte ihr das eine deftige Tracht Pr ü gel ein. Andreas schlug sie fast besinnungslos.
Als klar wurde,
dass er seinen Spa ß mit dieser Frau nicht haben konnte und er durch die ganze Aufregung auch “ keinen hochkriegte ” , st ü rmte er in die K ü che und kam mit
einem Messer zur ü ck. Die Frau h ä tte ihn wiedererkennen k ö nnen. Das k ö nne ich doch nachvollziehen-oder?
Ich nickte.
Dass er ihr
letztlich nur
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