Das Gutachten
sehr gutaussehend, äußerst charmant und konnte
scheinbar zu jedem Thema eine gepflegte Unterhaltung führen.
Wenn es ihm aus
irgendeinem Grund sinnvoll erschien, hielt er auch mal über einen längeren
Zeitraum eine ausgeprägte Konversation mit der Dame des Hauses. Später wurde
dann in der Regel klar, warum er so aufmerksam gewesen war. Die ansonsten eher
nervende Mutter eines Freundes stellte sich zum Beispiel als wichtige Person in
der Vergabekommission für Zuschüsse an der Uni heraus.
Niemand konnte seine
Wirkung auf andere Menschen so geschickt einsetzen wie Chris. Mit Ausnahme
vielleicht von Sandra. Auch sie wickelte Menschen leicht um den Finger und
manipulierte sie auf eine manchmal sehr subtile Art.
Meist war das aber gar
nicht nötig. Ihre Professoren und viele andere ließen sich von Sandras Äußerem
dermaßen beeindrucken, dass sie sich gar nicht besonders anstrengen musste.
Wenn sie einmal wirklich nicht gut vorbereitet in eine Arbeitsgruppe ging, dann
ließ sie halt einen Knopf mehr an ihrer Bluse auf. Das reichte in den meisten
Fällen aus, kam aber gar nicht oft vor, da Sandra in der Regel ihre
Hausaufgaben machte und eine gute Studentin war.
Was sie in den ganzen
letzten Jahren allerdings stark vernachlässigt hatte, war sich um ihr Inneres
zu kümmern. Ihre Gefühle, seien es Herzensangelegenheiten oder Empfindungen aus
dem Bauch heraus, hatten in ihrem Leben bislang wenig Platz bekommen.
Jahrelang hatte sie
geglaubt, mit Chris die große Liebe schon früh gefunden zu haben. Sandra hatte
nie hinterfragt, ob sie wirklich glücklich war oder sie sich das nur einredete.
Ob es nur eine oberflächliche Beziehung mit gleichzeitiger sexueller
Anziehungskraft war, oder ob tiefer gehende Gefühle sie mit Chris verbanden.
Wenn sie ehrlich zu sich
selber war, hatte sie immer schon wenig in sich reingehorcht, kaum eine Sache
in Frage gestellt, wenn sie sich gut anfühlte. Diese Ebene in ihr war
ausgeschaltet, deaktiviert gewesen.
Die allermeisten
Entscheidungen hatte Chris für sie getroffen, wenn es in irgendeiner Art
bedeutend war. Und in den anderen Fällen konnte sie sich auf ihren Kopf verlassen.
Das Leben, das sie gemeinsam lebten, war viel zu schnell, um in Ruhe
nachzudenken. Sobald zu viel Zeit da war, wurde diese genutzt für Aktivitäten,
Aktivitäten, die sie in Wirklichkeit nie ausgefüllt hatten.
Was war geblieben von den
samstäglichen Besuchen in den angesagtesten Clubs der Stadt? Woran erinnerte
sie sich, wenn sie an die spontanen Kurztrips mit Chris dachte, nach Paris,
Rom, London, Prag? Eigentlich ging es immer um Party, Party, Party, Alkohol,
ein bisschen Koks, aber nie viel, und natürlich Sex. Immer wieder Sex, bei dem
Chris beweisen konnte, was für ein toller Hecht er doch sei.
Sex, bei dem sich Sandra
später geschämt hätte, wenn sie sich nicht schon vorher genügend Mut
angetrunken hatte. Chris liebte es zu protzen und da gehörte es auch mal dazu,
sie trotz zahlreicher Zuschauer am Rande einer Party am Strand von Ibiza zu
nehmen.
Wenn er in der
entsprechenden Laune gewesen war, wusste Sandra, was auf sie zukam, sobald er
sie zum Tanzen aufforderte. Er würde sie auf der Tanzfläche überall anfassen
und die neidischen Blicke der anderen Männer genießen. Er würde ihr die Bluse
aufknöpfen, damit alle anwesenden Männer die wippenden Titten seiner Freundin
beim Tanzen angaffen konnten.
Und er allein entschied
über sie.
Einmal standen sie mit ein
paar Leuten zusammen und Chris bestellte eine Flasche Schampus. Weniger als
Champagner kam ihm eh nicht in die Finger. In peinlicher Rennfahrerimitation
schüttelte er die Flasche, um sie anschließend über Sandras weißes Seidentop zu
spritzen. »Wet T-Shirt-Contest« rief er dabei laut in die Runde, bevor er die
Flasche mit den Resten des teuren Tropfens kreisen ließ.
Ein anderes Mal
beobachtete Chris einen jungen Typen, der offensichtlich alleine unterwegs und
auf Girl-Suche war. Er stand an der Bar, nippte an seinem Cocktail und blickte
interessiert in der Gegend herum. Chris raunte Sandra zu, sie solle doch zu ihm
hingehen und sich auf einen Drink einladen lassen.
Obwohl sie ahnte, was
passieren würde, gehorchte Sandra und begann ein Gespräch mit dem Fremden, der
natürlich sofort versuchte, sie mit allen Regeln der Kunst anzubaggern. Er
bestellte ihr einen Cocktail und rückte von Minute zu Minute immer ein
Stückchen näher an Sandra heran. Er machte ihr unzählige Komplimente und begann
sogar leicht auf
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