das gutenberg-komplott
grüne Blitze. Er hatte Angst zu fallen, hielt sich aber auf den Beinen. Er fasste mit seiner Hand an die Stirn, und Blut rann über seine Finger. Ihm blieb keine Zeit, sich darüber Sorgen zu machen. Er stolperte weiter, etwas vorsichtiger. Und nun hörte er wieder das Ke u chen. Nur nicht so nah wie vorhin. Sein Knie schlug gegen e t was Hartes, und ein stechender Schmerz schoss ihm ins Bein. Er fiel vor n über, fing sich aber mit den Händen, die sich ins weiche Er d reich gruben, ab, rappelte sich auf und rannte weiter. Das Ke u chen wurde lauter, es kam näher.
Irgendein Gestrüpp riss ihm an den Knöcheln die Haut auf. Vielleicht Brombeeren? Ruckartig hatte sich sein rechter Fuß in diesem unsichtbaren Zeug verhakt und verfangen. Er stürzte zu Boden, und diesmal ging es zu schnell, als dass er den Sturz hätte abfangen können. Er schlug mit dem Gesicht in die Do r nen. Er drehte den Kopf zur Seite und sah erneut den Unb e kannten als mächtigen Schatten auf sich zukommen.
13.
K
atharina hatte eine Vermutung. Die Idee war ihr in der Nacht gekommen. Sie verließ den Schulraum, ging ins Freie und zum Kaufhaus. Mehrere Pferdekarren mit W a ren standen vor dem Portal, das ein hoher Spitzbogen umrah m te. Links vom Eingang lehnten sich zwei kleine G e bäude ans Kaufhaus; in einem davon wohnte der alte Franz mit seiner F a milie. Die Skulpturen der Kurfürsten standen nebeneinander aufgereiht am unteren Rand des sehr breiten Giebeldaches. Obwohl es nicht regnete, hatten die meisten Arbeiter ihre K a puzen übergezogen, denn der Nebel war so dicht, dass er sich in der Kleidung fes t setzte und sie nach einiger Zeit durchdrang.
In der weiten, mit Ständen gefüllten Halle fand man alles, womit sich Handel treiben und Geld verdienen ließ. Ein Getre i dehändler, der zwischen mehreren bis zum Rand mit Korn g e füllten Holzbottichen stand, verhandelte gestikulierend mit zwei Handwerkern. Sie hatten Säcke mitgebracht, die zu ihren Füßen lagen, und der Händler hielt in der linken Hand einen Maße i mer. Katharina sah ihren Vater im hinteren Teil des Raums; er unterhielt sich mit dem Prior des Franziskanerklosters und b e merkte sie nicht. Sie hielt Abstand und wartete, bis die beiden ihr Gespräch beendet hatten und der Vater sich vom Stand en t fernte. Erst dann ging sie auf ihn zu. Die Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er sie sah.
Sie fragte ihn, ob er einen Moment Zeit habe, und er bat sie, mitzukommen. Im hinteren Teil des Kaufhauses befand sich ein durch Bretterwände abgeteilter Raum für die Verwaltung; außer ihrem Vater arbeiteten hier noch zwei Kaufmannsgehilfen. Nur einer der beiden war da; vor ihm auf einem Tisch lagen Silbe r gulden, die er zu Säulen aufschichtete, und in gewissen Abstä n den schrieb er etwas in sein Geschäftsbuch, während sich seine Lippen bewegten. Er nickte Katharina flüchtig zu, unterbrach die Abrechnung aber nicht.
»Dass du dich auch mal blicken lässt!«, sagte ihr Vater. »Was gibt’s denn?«
»Es geht um das Bett!«
»Was für ein Bett?«
»Klaras Bett.«
Karl Roth machte ein verständnisloses Gesicht. Er ging um den Tisch herum, auf dem Geschäftsbücher und Papiere lagen; dann setzte er sich auf einen Lehnstuhl.
»Hast du dir schon Gedanken gemacht, was damit passieren soll?«, fragte Katharina.
»Ich muss das Begräbnis vorbereiten. Und hier stapelt sich die Arbeit.« Er machte eine vage Handbewegung über den Tisch. »Ich habe an das Bett keinen Gedanken verschwe n det.«
Katharina schaute zum Gehilfen, der einen Münzstapel bild e te, fast so hoch wie die Madonna auf dem Tisch ihres Vaters. »Wir können es nicht da draußen stehen lassen«, sagte sie. »Es ist wertvoll. Kann ich es haben? Für mein Zimmer.«
»Warum nicht?«, sagte er. »Deine Geschwister werden ne i disch sein. Aber wer zuerst kommt …«
»Es muss abgeschlagen und von zwei Männern transportiert werden. Glaubst du, dass deine Schreiner das machen können?« Damit meinte sie die beim Kaufhaus angestellten Handwerker.
»Sie bauen gerade einen Stand um. Danach kannst du sie h a ben. Ich rede mit ihnen.«
»Danke!« Sie ging um den Tisch und gab ihm einen Kuss. Sie wusste, dass er das mochte. Wenn sie es geschickt anstellte, konnte sie von ihm bekommen, was sie wollte. Sie ging im Kaufhaus herum und wartete, bis die beiden Schreiner mit ihrer Arbeit fertig waren. Dann machten sie sich zu dritt auf den Weg zum Hafen.
Der Pegel des völlig im Nebel
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