das gutenberg-komplott
sagt, niemand darf ihn stören.«
»Was ich mit ihm zu besprechen habe, duldet keinen Au f schub. Sag ihm das!«, beharrte Thomas.
»Er wird mich ausschimpfen.«
»Er wird erst recht verärgert sein, wenn ich ihm eine Vorl a dung ans Gericht schicke!«
Sie schloss die Tür, und Thomas betrachtete missmutig die Hauswand. Seine Laune näherte sich einem Tiefpunkt. Es da u erte lange, bis sich die Tür wieder öffnete und das Mädchen ihn schweigend in einen Raum führte, dem man ansah, dass er nur selten genutzt wurde: die »gute Stube«. Sie verließ das Zimmer, und er musste erneut warten.
Thomas schaute sich um. Der Raum mochte etwa acht Schri t te lang und sechs Schritte breit sein. Durch die milchigen Fenste r scheiben drang spärlich Licht. Alle Wände und die Decke w a ren mit Eichenholz verkleidet, das eine dunkle Färbung ang e nommen hatte. In einem hohen Kamin, am oberen Rand rot bemalt, lagen halb verkohlte Scheite. Die Asche barg noch e i nen Rest Glut und verbreitete etwas Wärme. Neben dem Kamin stand eine Holzbank mit weißen Kissen. Den Fußboden bedec k ten abwechselnd schwarze und gelbe Kacheln. Auf R e galen sah man angestaubte Bücher. Die dem Kamin gegenübe r liegende Wand beherrschte ein mit Schnitzwerk verzierter Schrank, und in der Mitte des Raums befand sich ein Tisch, der mühelos zehn und mehr Gästen Platz bot.
Schließlich hörte Thomas polternde Schritte. Dann erschien Gutenberg in der Tür. Er hatte es nicht für nötig befunden, seine graue, mit schwarzen Flecken bedeckte Schürze und eine flache Ledermütze abzulegen. Katharina hatte ihn treffend beschri e ben. Er wirkte vom ersten Eindruck her eher unscheinbar. Aber et was hatte sie nicht erwähnt: seine über dem grauen Bart hervo r leuchtenden Augen. Thomas hatte das Gefühl, als würden sie ihn durchdringen bis in versteckte Winkel. Ein fo r schender, fast starrer Blick, wie er ihn einmal in Italien bei e i nem Maler erlebt hatte. Die zusammengezogenen Brauen verhießen alle r dings wenig Gutes.
»Ihr seid der neue Richter?«
»Thomas Berger.«
»Maria sagt, Ihr hättet Euch grob und drohend verhalten.« Seine Stimme war dunkel, und trotz seiner Verärgerung sprach er langsam und beherrscht.
»Sie übertreibt. Ich muss mit Euch sprechen.«
»In welcher Angelegenheit? Und weshalb so dringend?«
»Es betrifft die beiden Mordfälle, von denen Ihr gehört habt. Besonders den an Klara Roth.«
»Was habe ich damit zu tun?« Er wirkte überrascht, und falls er sich verstellte, so war er sehr geschickt darin.
»Kanntet Ihr Klara Roth?«
»Flüchtig.«
»Was heißt ›flüchtig‹?«
»Viele Mainzer kenne ich vom Sehen, weiß ihren Namen, habe aber weiter nichts mit ihnen zu tun.«
»Was wisst Ihr über die Tote? Ich sammle Informationen. Je der Hinweis kann für mich wichtig sein!«
»Fragt Ihr das jeden in der Stadt? Es hat doch einen Grund, dass Ihr ausgerechnet zu mir kommt.«
»Darüber sprechen wir gleich. Bitte antwortet erst auf meine Fragen!«
Gutenbergs Augenbrauen rückten noch ein Stück näher z u sammen. »Was ich über Klara Roth weiß? Sie stammt aus einer angesehenen Familie, ihr Vater ist Karl Roth, ein reicher Kau f mann – aber das kann Euch jeder erzählen. Klara Roth hatte in der Stadt einen schlechten Ruf. An den Markttagen verkaufte sie Kräuter und Salben. Abergläubische Menschen hielten sie für eine Hexe. – Das wisst Ihr doch alles schon!«
»Hatte sie Feinde? Fällt Euch jemand ein, der einen Grund hatte, sie zu töten?«
»Nein. Dazu kann ich nicht mal eine Vermutung äußern. Ich kannte die Roth ja kaum.«
»Habt Ihr irgendwann in letzter Zeit mit ihr gesprochen?«
»Nein, ich kann mich nicht erinnern. Wenn wir uns auf der Straße begegneten, grüßten wir uns; das war alles.«
»Kanntet Ihr Klara Roths Haus?«
»Ich weiß vom Hörensagen, dass sie irgendwo vor der Stadt, in einem alten Köhlerhaus wohnte. – Aber warum stellt Ihr mir diese Fragen?«
»Ich habe herausgefunden, dass Klara Roth mehrere Liebh a ber hatte: Männer, die sie in ihrem Haus besuchten und von d e nen sie sich aushalten ließ.«
Thomas machte eine Pause und forschte in Gutenbergs G e sicht, der ungläubig den Kopf schüttelte: »Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass ich einer von diesen Männern war. Ich habe die Frau doch kaum gekannt.«
»Könnt Ihr Euch erinnern, wo Ihr die Nacht verbracht habt, als der Mord an Klara Roth geschah?«, fragte Thomas.
»Ich arbeite jeden Tag bis weit in die Nacht. Ich
Weitere Kostenlose Bücher