das gutenberg-komplott
verstehen ist.«
Thomas legte das Blatt auf den Tisch zurück und nahm ein anderes auf. Es war überschrieben mit: Die Lettern . Er las: »Das eigentlich geniale an der Erfindung sind die beweglichen M e talllettern. Vorstufen des Dr u ckens mit Holztafeln gab es schon länger, auch Druckstempel sind nichts Neues, es gibt sie sowohl aus Holz als auch aus Metall gefertigt. Aber noch ke i nem ist es gelungen, einen Text mit kleinen Metallbuchstaben zu drucken. In der technischen Umsetzung dieser Idee besteht die eigentl i che Revolution.«
Katharina trat zu Thomas und schaute ihm über die Schulter. Wenn sie so nahe bei ihm stand, fiel es ihm schwer, sich auf den Text zu konzentrieren.
»Lies weiter!« Sie tippte auf den Text.
Er fuhr fort: »Die Buchstaben sind winzig. Sie werden aus flüssigem Metall gegossen. Hierbei kommt es auf die richtige Mischung an. Das Metall darf nicht zu hart sein, denn sonst bricht es. Aber es darf auch nicht zu weich sein, weil sonst die Konturen der Buchstaben unscharf werden. Die ideale M i schung bei der Herstellung des Metalls beschreibe ich an einer anderen Stelle.«
Thomas hielt inne, dann sagte er: »Ich muss mit Gutenberg reden.«
»Nur wird er dir nicht viel erzählen«, erwiderte Katharina. »Jedenfalls nicht in Bezug auf seine Erfindung.«
»Wir werden sehen.«
Katharina trug denselben Mantel wie an dem Abend, als sie bei ihm gewesen war. Sie hatte ihn nicht abgelegt, weil es in der Amtsstube kalt war. In ihren Locken hingen Regentropfen. Th o mas ging auf sie zu und fasste sie bei den Schultern. Aber sie en t zog sich mit einer geschickten Bewegung und ging zur Tür.
»Geduld!«, sagte sie.
Am Nachmittag ging Thomas zu einem der Schöffen, einem jungen Mann, der zu den wenigen gehörte, die ihn noch grü ß ten. Er war mit zwei Kollegen in einem Raum und stand an e i nem Schreibpult. Offenbar fertigte er gerade die Kopie einer Urku n de an.
»Wo hat Gutenberg seine Werkstatt?«, fragte Thomas. Er durfte den Besuch nicht länger hinausschieben.
»Ich kann Euch hinbringen«, erwiderte der Schöffe.
Sie verließen kurze Zeit später das Gerichtsgebäude durch einen Nebeneingang, der zu einer engen Gasse führte. Aus einer Schmiede drangen metallische Klänge, Thomas sah Feue r schein aufleuchten. Es war zu seiner Überraschung jedoch kein Mann, der dort ein Eisen schmiedete, sondern eine Frau in e i nem roten Kleid mit weißer Schürze hieb mit dem Hammer auf den A m boss. Sie durchquerten mehrere kleine Gassen. Die Häuser waren dicht an dicht gebaut. Ein Karren hätte Mühe g e habt, hier durchzukommen. Die meisten Häuser schoben sich mit jedem Stockwerk weiter nach vorn, um so Platz zu gewi n nen, der zu ebener Erde fehlte. Zwei Mädchen zeichneten mit einem Stock Figuren in den halbgefrorenen Matsch. Eine Magd mit braunem Kopftuch schüttete einen Eimer schwarze, sti n kende Brühe vor die Tür. Im Badehaus hörte man Schreie und schrilles Gelächter. Es dämmerte, und von vielen Dächern hi n gen Eiszapfen, in denen sich das diffuse Licht fing. Die Stadt machte auf Thomas immer noch einen labyrinthischen Ei n druck.
Schließlich standen sie vor einem ehemaligen Adelshof. Die Fassade des Hauptgebäudes war aus Stein gemauert, es hatte drei Stockwerke und einen stufigen Giebel. Die Eingangstür war mit rotem Sandstein gefasst; an einem Wappenschild in der Mitte des Türbogens nagte der Zahn der Zeit. Eine Wandmal e rei zeigte ein weiteres Wappen: Ein gebeugt am Stock gehender Mann hielt eine Schale in der ausgestreckten Hand. Ein Bettler? Zwei links und rechts an das Haupthaus angrenzende Gebäude, die ebenfalls zum Hof gehörten, hatten nur zwei Geschosse und waren nicht aus Stein errichtet. Im linken befand sich ein hohes zweiflügliges Tor. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen Fachwerkhäuser.
»Hier ist es«, sagte der Schöffe. »Jedenfalls der Wohntrakt. Die Werkstatt kann man von hier aus nicht sehen. Sie befindet sich in einem eigenen Gebäude, soweit ich weiß. Man muss erst den Hof durchqueren – aber da lässt er keinen rein.«
Als er allein war, klopfte Thomas laut an die mächtige Hol z tür, die sich kurz darauf einen Spalt breit öffnete. Vom Gesicht einer jungen Frau, eher eines Mädchens, sah er kaum die Häl f te. Sie wirkte blass und hatte ein weißes Tuch um den Kopf g e bunden. »Wer seid Ihr?«, fragte sie.
»Der neue Richter.«
»Um was geht’s denn?«
»Ich will mit dem Meister reden.«
»Der hat keine Zeit. Er
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