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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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Glas gehabt hatten. Diese jedoch waren längst zerbrochen. Einst hatten die Kästen wohl hauptsächlich Schriftstücke enthalten – nun aber waren sie verwittert und ihre zerfallenen Reste unleserlich. Ich konnte nicht erkennen, was wohl einmal auf ihnen geschrieben stand. Vereinzelte Bilderrahmen hingen noch an den Wänden, die meisten jedoch waren auf den Boden gefallen und auseinandergebrochen. Nur wenige Bilder waren noch zu erkennen. Es waren hauptsächlich Portraits von längst Verstorbenen. Ich hatte nur wenig Interesse an ihnen. Sie waren auf Leinwände gemalt, die nun im Begriff waren, sich aufzulösen. Andere der Bilder waren offenbar auf Papier gemalt worden. Dieses war nun bereits völlig verwittert. Es war nichts mehr darauf zu erkennen. Ähnlich wie die Bücher die ich überall fand. Die Seiten waren verschimmelt und fielen auseinander, sobald ich den Deckel aufschlug. Ich dachte an die Bücher, die Malcolm und ich einst im alten Rosedalehaus gefunden hatten. Diese hatten die Zeit überdauert, da sie, vor allen Witterungseinflüssen geschützt, in einer massiven Truhe gelegen hatten. Hier jedoch hatten Wind und Wetter ihr Zerstörungswerk nahezu ungehindert vollbringen können.
    Als es am Nachmittag hin und wieder kurze Phasen gab, an denen der Regen etwas nachließ, durchsuchte ich die anderen Gebäude. Ich fand jedoch nichts Brauchbares. Nicht einmal Töpfe oder ähnliches. Wahrscheinlich war diese Ansiedlung bereits vor langer Zeit geplündert worden.
    Als es Abend wurde, entzündete ich eine meiner Kerzen und tat mich an Rauchfleisch und Brot gütlich. Ich hatte am Nachmittag den unteren Raum des Turmes leer geräumt. Die alten zerfallenen Kästen und Tische hatte ich hinaus ins Freie geschafft. So war Platz genug für mich und Kayleigh. Auf einem der Tische war ein kleines Kästchen gestanden, das mit einer Art Schnur an der Wand befestigt gewesen war. Daneben war ein weiterer merkwürdiger Gegenstand gelegen, der offenbar zu dem Kästchen gehörte. Ziffern waren auf kleinen Tasten noch zu erkennen gewesen. Ich fragte mich, wozu es einst gedient haben mochte. Erst später kam mir der Gedanke, dass es vielleicht einer jener Kästen gewesen sein könnte, von denen mir Malcolm einst erzählt hatte – eines von den Geräten, mit denen die Menschen früher über weite Entfernungen hinweg kommuniziert hatten. Es war ganz aus Plast – dem Material, aus dem die Menschen damals so vieles gefertigt hatten. Man fand es überall. Es verwitterte nicht. Manchmal waren es Becher oder Flaschen, die man sogar noch nutzen konnte. Zumeist aber waren es völlig unnutze Dinge, deren einstiger Zweck sich nicht einmal mehr erahnen ließ. Die Farmer hatten nur Schwierigkeiten mit diesem Material, wenn sie es auf ihren Feldern fanden. Offenbar hatten die Menschen es damals in großen Mengen einfach vergraben – obgleich sie doch gewusst haben mussten, dass es nicht verwitterte. Wenn man es schließlich zusammentrug, um es zu verbrennen, stank es fürchterlich. Mit dem Neubeginn ging auch das Wissen darüber verloren, wie man dieses Plast herstellte. Doch ich glaubte nicht, dass irgendjemand diesem Wissen nachtrauerte.
    Ich überlegte, wie ich nun weiter vorgehen wollte. Zunächst einmal würde ich mich wohl hier verborgen halten. Eine Woche vielleicht, oder auch zwei. Dann, so rechnete ich mir aus, würde die Suche nach mir sicherlich abgeblasen sein. Es war mitten in der Zeit der Aussaat. Kaum ein Farmer konnte wohl so lange auf seine Knechte verzichten, nur um einen ausgebüchsten Jungen zu suchen.
    Doch was danach kommen sollte, da war ich mir alles andere als sicher. Wo sollte ich anfangen mit meiner Suche? Immer wieder hatte ich mir diese Frage gestellt. Als der Zirkus damals in Ballynakill angekommen war, war das mitten im Hochsommer gewesen. Danach, so hatte Sarina mir erzählt, würden sie sich wieder auf den Weg Richtung Dublin machen, das weit im Osten lag. Dort hatte der Zirkus sein Winterquartier. Doch nun war Frühjahr. Der Zirkus hatte das Winterquartier sicherlich längst verlassen. Es war aber wahrscheinlich, dass ich rund um Dublin die größten Chancen hatte, ihn zu finden. Doch das Gebiet, das ich abzusuchen haben würde, war riesig. Ich wusste ja noch nicht einmal, in welche Richtung der Zirkus aufgebrochen war.
    Ich musste mich eben auf den Weg machen und hoffen, dass das Glück mir beistehen würde. So ein Zirkus war ungeheuer selten. Ich erinnerte mich noch, welches Aufsehen er in unserem

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