Das Habitat: Roman (German Edition)
verfolgen, seine leicht nervöse Art könne nur aufgesetzt sein – würde womöglich nur dazu dienen, zu verbergen, welch scharfsinniger Verstand wirklich hinter diesen leicht naiv dreinblickenden Äuglein arbeitete. Tatsächlich hatte er etwas von Pater O’ Malley an sich. Doch all das kam mir eben erst später zu Bewusstsein.
Der grimmig dreinblickende Sorger, der sich mit verschränkten Armen breitbeinig hinter ihm aufgebaut hatte, machte Anstallten ins Zimmer zu kommen, um so den Worten des Priesters mehr Nachdruck zu verleihen.
Ich kam dem jedoch zuvor und erhob mich gehorsam.
Die Mütze tief ins Gesicht gedrückt und den Kragen der Filzjacke die man mir gegeben hatte hochgeschlagen lief ich neben dem Priester die Straße hinab, direkt auf das große Eingangstor zu. Ich erwog kurz meine Chancen, meinen Begleitern zu entwischen, doch der Sorger, der nur wenige schritte hinter mir lief, ließ mich nicht aus den Augen. Nachdem ich mich kurz nach ihm umgewandt hatte, verwarf ich diesen Gedanken schnell wieder.
Das gusseiserne Tor war eingelassen in einen steinernen Torbogen, der überthront wurde von der Statue eines Engels, der ein Schwert vor seiner Brust hielt. Die Spitze schien drohend auf mich herabzuzeigen, als ich darunter hindurchschritt. Rechts und links zogen sich die hohen massiven Mauern dahin, die das ganze Areal umfassten.
Hinter uns schloss der diensthabende Priester das Tor. Es fiel mit einem dröhnenden metallischen Geräusch zu.
Kies knirschte unter unseren Füßen, als wir auf eines der größten Gebäude zuhielten.
Der Sorger nickte dem Priester kurz zu und machte sich auf den Weg zurück, als wir die Eingangshalle betraten. Von nun an wurde er nicht mehr gebraucht. Genau genommen war dies bereits der Fall gewesen, nachdem wir das Tor mit dem Engel durchschritten hatten. Dass er uns dennoch bis hierher begleitet hatte, sollte offenbar nur dazu dienen, mir keine Möglichkeit zu geben, mich von meiner Einschüchterung zu erholen.
Emsige Betriebsamkeit herrschte auf den Fluren. Wir schritten an einer ganzen Reihe von Türen vorbei. Am Ende erreichten wir eine imposante Marmortreppe, die sich in zwei geschwungene Bögen teilte, die im oberen Stockwerk wieder zusammenliefen. Wir erklommen die Stufen und befanden uns schließlich am unteren Ende eines langen Korridors, an dessen anderem Ende eine reich verzierte Doppeltür prangte. Hier hatte der Bischof von Ennis seinen Amtssitz. Das war mir sofort klar. Der junge Priester jedoch klopfte an einer schmucklosen Holztür an, die offenbar zu einem Raum gehörte, welcher an das bischöfliche Amtszimmer angrenzte. Als wir hereingebeten wurden, sah uns ein rundlicher Priester mürrisch entgegen.
Er musterte uns kurz und verschwand alsdann durch eine kleine Seitentür, die, wie ich annahm, direkt in das Amtszimmer führte. Kurz darauf erschien er wieder.
„Seine Exzellenz erwartet den Jungen.“
Er bedeutete mir mit einem Kopfnicken, zu folgen. Mein bisheriger Führer blieb jedoch zurück.
Der Raum hatte gewaltige Ausmaße. Wände und Decken, genauso wie der marmorne Fußboden, waren reich verziert. Statuen flankierten die großen Fenster. Alles in diesem Zimmer war sichtlich darauf angelegt, den Besucher zu beeindrucken.
Hinter einem massigen Schreibtisch saß eine hagere Gestallt in schwarzer Robe, ähnlich die der Priester, jedoch mit purpurner Schärpe und Kopfbedeckung.
Ich erkannte ihn sofort. Er war in ein Schriftstück vertieft und sah erst hoch, als wir vor dem Tisch standen und der rundliche Sekretär sich leise räusperte.
„Ah, der junge O’Sullivan!“
Die Herzlichkeit, die dieser Ton wohl signalisieren wollte, erschien mir sehr gekünstelt.
„Danke Giles, Sie können uns alleine lassen.“
Der Angesprochene zögerte einen kurzen Augenblick, dann jedoch entfernte er sich mit raschen Schritten. Kurz bevor er durch die kleine Seitentür entschwunden war aber, rief der Bischof ihm noch nach:
„Ach Giles! Bringen Sie doch einen Becher heiße Milch für unseren Gast. Und vielleicht auch etwas Kuchen!“
Dieser nickte nur gehorsam und verschwand.
Der Bischoff lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte mich langsam von oben bis unten. Hierbei hielt er seine Hände so, dass die Fingerkuppen sich berührten. Irgendetwas sagte mir, dass er nun von mir erwartete, dass ich meinen Blick demutsvoll senkte. Doch alles in mir sträubte sich dagegen, ihm diesen Gefallen zu tun. Trotzig blickte ich ihm entgegen. Ihn aber
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