Das Habitat: Roman (German Edition)
Bischof zu sprechen. Ich hatte jedoch keinerlei Hinweise darauf entdecken können.
„Du willst zu deinem Vater!“ Sein Blick sollte Verständnis ausdrücken, wirkte auf mich jedoch durchdringend und stechend. Dennoch entspannten sich meine Nerven etwas. Er hatte offenbar doch keine Ahnung, dass ich ihn und Pater O’Malley damals belauscht hatte.
Ich nickte vorsichtig, den Rand der Tasse an meinem Mund haltend. Dies bewarte mich davor, antworten zu müssen.
Fast beiläufig klangen seine nächsten Worte:
„Hast du denn überhaupt eine Ahnung, wo du anfangen sollst zu suchen? Oder weißt du womöglich gar, wo er sich versteckt hält?“
Seine Augen durchbohrten mich förmlich.
„Nein“, stotterte ich unsicher. „Ich weiß nicht, wo er ist. Ich... ich wollte ihn einfach suchen...“
Die Zeit schien still zu stehen. Ich konnte hinterher nicht mir sagen, wie lange sein durchdringender Blick auf mich gerichtet war. Mir schien es wie eine Ewigkeit – wahrscheinlich aber waren es kaum mehr als ein paar Sekunden.
Schließlich nickte er. Seine Züge entspannten sich.
„Dein Vater ist ein kranker Mann, Liam, ein sehr kranker Mann! Doch die Kirche hat die Mittel dazu, ihm zu helfen...“
Ich brauste unwillkürlich auf.
„Mein Vater ist nicht wahnsinnig! Er hat das nicht getan, was man von ihm sagt! Ich war dabei, in jener Nacht. Mein Vater wollte meine Mutter retten! Nicht er hat das Feuer gelegt, sondern...“ Hier bis ich mir auf die Zunge. Ich wollte dem Bischof gegenüber die Anderen nicht erwähnen. Sicher wusste er viel besser über sie bescheid als ich, soviel war mir klar. Und mir war ebenfalls klar, dass es besser war, wenn ich mein Wissen für mich behielt. Sollten sie ruhig glauben, dass ich ihre Lügen geschluckt hätte, dass ich ihnen glaubte, alles was ich gesehen hatte in dieser Nacht, wären nur Phantastereien gewesen, die mir das Fieber vorgegaukelt hatte. Ich wusste es besser.
Der Bischof aber schien das Versiegen meiner Erwiderungen als Einlenken aufzufassen. Beschwichtigend hob er die Hände.
„Ich habe nicht gesagt, dass dein Vater wahnsinnig ist, Liam. Er ist nur etwas... ähm... verwirrt. Doch mit unserer Hilfe kann er zurückfinden, in den Schoß der Unverderbten Wahrheit. Er kann gesunden, Liam. Das verspreche ich dir.“ Gütig ruhte sein Blick auf mir, wie der eines fürsorglich liebenden Onkels. „Aber dazu müssen wir wissen, wo er sich aufhält.“
Wieder schien sein Blick sich bis tief in mein Innerstes zu bohren.
„Du hast wirklich keine Ahnung, wo er sein könnte? Liam, es ist nur zu seinem Besten. Wenn du etwas weißt, dann solltest du es mir sagen.“
Ich hielt seinem Blick stand, dennoch konnte ich nicht verhindern, dass mir die Augen zu tränen begannen.
Schließlich schüttelt ich energisch den Kopf.
„Ich weiß wirklich nicht, wo mein Vater sich aufhält.“, krächzte ich.
Endlich ließ sein Blick von mir ab. Er nickte bedächtig.
„Ich glaube dir, Liam. Du kannst gehen. Lass es mich wissen, wenn ich irgendetwas für dich tun kann.“ Mit diesen Worten wollte er mich entlassen. Mir jedoch schoss ein Gedanke in den Kopf.
„Exzellenz...“, sagte ich unsicher.
Er sah mich fragend an.
„Da wäre etwas.“ Ich wurde kurz unschlüssig. Vielleicht war es doch besser, ihn nicht nach Malcolm zu fragen. Doch schließlich entschied ich mich dafür.
„Ein Freund von mir, Malcolm Boyd... er ist Novize hier im Ordinariat.“, setzte ich an.
Der Bischof sah mir neugierig entgegen.
„Malcolm Boyd.“, sagte er gedehnt. „Ja, ich kenne ihn. Ein intelligenter junger Mann – ein ganz außerordentlich intelligenter junger Mann sogar. Ich wusste nicht, dass ihr Freunde seid.“
„Vielleicht wäre es möglich, dass ich mit ihm sprechen könnte. Ich weiß, dass das nicht üblich ist, einen Novizen während seiner Ausbildung zu...“
Der Bischof unterbrach mich mit einer Handbewegung.
„Es tut mir leid, Liam. Ich würde dir diesen Wunsch gerne erfüllen, glaub mir. Doch leider befindet sich dein Freund nicht mehr hier.“
Ich blickte ihn irritiert an.
„Oh, er hat uns nicht verlassen.“, warf er schnell ein, da er einem Missverständnis offenbar vorbeugen wollte. „Aber wie ich bereits andeutete, er ist ein ganz außergewöhnlich talentierter junger Schüler. Es gibt derer nur sehr wenige. Viel zu wenige. Für diese Wenigen aber unterhält die Kirche eine ganz besondere Schule, um sicherzustellen, dass ein derartiges Talent nicht vergeudet wird. Leider aber
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