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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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befindet sich diese Schule in einem anderem, weit entferntem Teil unseres Landes.“
    Aufrichtiges Bedauern schien in seinem Ton mitzuschwingen, als er sagte:
    „Es tut mir wirklich leid, dass ich dir da nicht helfen konnte. Gerne hätte ich dir diesen Wunsch erfüllt.“
    Ich nickte nur trocken.
    Er bimmelte kurz mit einem kleinen silbernen Glöckchen. Unmittelbar darauf kam Giles, der Sekretär, hereingehuscht.
    „Pater Finn soll den jungen O’Sullivan hier zurückgeleiten.“
    Als der Priester mich hinausführte, rief der Bischof mich noch einmal an.
    Ich wandte mich nach ihm um.
    „Ach ja“, sagte er wie nebenbei. „Kennst du zufällig einen Mann namens Douglas? Oder hast du vielleicht einmal gehört, dass dein Vater von ihm gesprochen hätte?“
    Ich schüttelte den Kopf. Den Namen hatte ich nie gehört.
    „Nein, Exzellenz. Wer ist das?“
    Er aber winkte nur ab.
    „Nicht so wichtig. Du kannst gehen.“
    Ich wandte mich ab.
    „Aber Liam!“
    Noch einmal drehte ich mich nach ihm um.
    „Sollte dir doch noch etwas einfallen – etwas das uns helfen könnte, deinen Vater zu finden –, so lässt du es mich doch sofort wissen?“
    Ich nickte gehorsam.
    „Ja, selbstverständlich, Exzellenz. Das werde ich tun.“
    Dann standen wir wieder in dem kleinen Vorzimmer, wo Pater Finn mich in Empfang nahm.

Pater Finn
     
    Schweigsam führte der Pater mich zurück, zu den Barmherzigen Schwestern. Allerdings nicht auf dem selben Weg, auf dem er mich zuvor hergebracht hatte. Wir verließen das Gebäude durch einen Seiteneingang und hielten direkt auf eine kleine Tür in der Mauer zu. Als wir hindurchgeschlüpft waren, fand ich mich in einem abgelegenem Teil des kleinen Parks wieder, den ich bereits vom Speisesaal aus hatte sehen können. Dass ich, auf dem Weg zum Bischof, durch das große Tor mit dem steinernen Engel geführt worden war, war klar sichtlich nur ein Teil einer Inszenierung gewesen, die lediglich dazu gedient hatte, mich gebührend einzuschüchtern. Ebenso wie der Gang auf die reich verzierte Tür des Amtszimmers zu. Ich sollte in die richtige ehrfurchtgebietende Stimmung versetzt werden. Und ich musste zugeben, es hatte weitgehend funktioniert.
    Dass wir nun einen anderen, kürzeren Weg nahmen, der uns direkt aus dem Ordinariat in die Ummauerung der Schützenden Hand führte, hatte die Begleitung eines Sorgers überflüssig gemacht. Auf diesem Weg konnte ich dem Pater nicht entwischen und er wusste dies. Dennoch sah ich mich genau um. Der Teil des Parks, den wir nun durchquerten, lag hinter dem Haupthaus, und war auch von diesem aus kaum einzusehen. Nun, vielleicht würde mir dieses Wissen einmal nützlich sein.
    Hatte ich anfangs auch Befürchtungen gehegt, man würde mich von nun an hinter den massiven Mauern des Ordinariats unterbringen – was jeglichen Gedanken an Flucht wohl hätte unmöglich erscheinen lassen –, so schien man doch der Meinung zu sein, ich wäre unter der Obhut der Schwestern gut aufgehoben. Der Bischof schien offenbar keinerlei Ahnung zu haben, was mich seinerzeit wirklich dazu bewogen hatte, mich Pater O’Malleys Fürsorge zu entziehen. In seinen Augen war ich lediglich ein verunsicherter Junge, der einfach nur versuchte, seinen Vater zu finden. Dass ich von seinen Absichten wissen könnte, mich für mindestens ein Jahr in die Klosterschule in Galway zu stecken, war ihm ganz offensichtlich nicht in den Sinn gekommen.
    Jedoch vermutete er wohl, ich hätte zumindest einen Verdacht, wo mein Vater sich verborgen halten könnte. Überhaupt, warum hegte er so starkes Interesse an ihm?
    Diese Gedanken kreisten in meinem Kopf, als ich wieder alleine in meinem Zimmer saß. Natürlich wusste der Bischof, dass mein Vater nicht der Wahnsinnige war, den die Leute in Ballynakill in ihm sahen – der Wahnsinnige, der erst seine Frau umgebracht, dann das Haus in Brand gesteckt, und zu guter letzt auch noch versucht hatte, mich zu töten.
    Nichts von alledem hatte er getan. Ja, der Bischof wusste dies nur zu gut. Pater O’Malley ebenso. Und wer konnte schon sagen, wer wohl sonst noch alles.
    Was aber war wirklich in jener Nacht geschehen? Immer wieder hatte ich mir die Ereignisse in Erinnerung gerufen. Und, wie schon so oft, mündeten meine Gedanken in die eine, alles dominierende Frage. Die Frage nach den Anderen. Wer waren sie? Was hatte es mit ihnen auf sich? Mein Vater hatte etwas über sie gewusst, soviel war klar. Etwas, das er nicht hätte wissen dürfen. Hatten sie deshalb versucht,

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