Das Habitat: Roman (German Edition)
dieses Umstandes womöglich erneut eskalieren, so hatte doch eine Art Waffenstillstand zwischen den beiden Mannschaften geherrscht. Zu sehr saßen die Ereignisse an der Schleuse allen Beteiligten noch in den Knochen. Man begnügte sich damit, sich gegenseitig die Schuld zu geben, und sich hasserfüllte Blicke zuzuwerfen.
Ich zog mich schweigend in eine Ecke zurück und brütete vor mich hin.
Würde der örtliche Priester sich erst unserer annehmen, so würde ich sofort entlarvt werden – da machte ich mir nichts vor. Im Gegensatz zu Tom und den anderen, wusste ich sehr genau um die Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung der Kirche. Ich war also keineswegs so zuversichtlich wie der Schiffseigner, die bisherige Geschichte dem Geistlichen auftischen zu können – und zu glauben, damit durchzukommen. Plötzlich machte ich mir Vorwürfe, ihn und die anderen beiden da mit reingerissen zu haben. Wahrscheinlich aber, würde ihnen nichts weiter geschehen, als ein Tadel der Kirche. So jedenfalls versuchte ich mir einzureden.
Ich blickte düster zu Boden und zermarterte mir das Hirn, wie ich aus dieser verzweifelten Lage herauskommen konnte, jedoch mir fiel nichts ein.
Der Abend war bereits weit fortgeschritten. Wir hatten etwas zu Essen erhalten. Tom und sein Kontrahent waren gerade wieder dazu übergegangen, sich gegenseitig mit wenig schmeichelhaften Äußerungen zu bedenken, als die Geschehnisse plötzlich eine völlig unvorhersehbare Wendung nahmen.
Der Schlüssel drehte sich von außen im Schloss. Der Bürgermeister humpelte herein; nebst Wachtmeister und Gehilfen. Er sah sich unwirsch im Raum um, dann ging er geradewegs auf die Mannschaft des anderen Kahnes zu.
„Kapitän Ross!“, sagte er energisch. „Kapitän James Abraham Ross!“
Der Angesprochene sah ihn fragend an.
„Sie werden massiver Verstöße gegen die Einhaltung der Richtlinien der Unverderbtheit beschuldigt.“
Der derart Angeschuldigte sah völlig irritiert drein.
„Auf ihrem Kahn wurden erhebliche Mengen an Mutantenweizen gefunden.“, fuhr der Bürgermeister, in strengem Ton fort.
Ich hielt den Atem an und blickte gebannt auf die Szenerie. Der Vorwurf war außerordentlich schwerwiegend. Es gab wohl kaum ein Vergehen, das als auch nur halb so schwerwiegend galt, wie der Handel mit Mutantenpflanzen. Jeglicher derartige Verstoß gegen die Richtlinien der Unverderbtheit zog ernsthafteste Konsequenzen nach sich. Bei so manch anderem Vergehen, gegen diese Richtlinien, das zur Last gelegt werden konnte, drückte man ja schon mal gelegentlich ein Auge zu – aber bei der Verbreitung von Mutantenpflanzen niemals.
Das Gesicht des Kapitäns war auf einen Schlag kalkweiß geworden. Alle Farbe war daraus gewichen und sein Blick zeugte von ehrlicher Überraschung. Er hob beide Hände und versuchte stammelnd, sich gegen diese ungeheuerlichen Vorwürfe zu verteidigen. Ich wusste nicht, ob er nur den Überraschten spielte, oder ob sein ungläubiger Blick wirklich echt war. Mir jedenfalls kam er ehrlich entsetzt vor.
Währendessen scheuchte der Wachtmeister uns von der Kathrina vor die Tür.
„Ihr könnt gehen.“, sagte er.
Tom sah ihn fragend an.
„Die Anschuldigungen gegen euch wurden fallen gelassen – gegen Zahlung eines entsprechenden Bußgeldes versteht sich.“
„Und unsere Papiere?“
Der Wachtmeister machte eine knappe Handbewegung.
„Ihr erhaltet sie zurück. Auch eine vorübergehende Bescheinigung der Einhaltung der Unverderbtheit sollt ihr erhalten. Pater Mulligan hat sie bereits ausgestellt. Angesichts der neuen Ereignisse hat er Wichtigeres zu tun, als sich mit solchen Kleinigkeiten abzugeben. Folgt mir in mein Büro. Dort erledigen wir dann alle Formalitäten. Die angefallene Bearbeitungsgebühr wird euch schon nicht umbringen, keine Angst.“
Wir trotteten also brav hinterher. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Wäre auf dem anderen Frachter nicht verderbtes Getreide gefunden worden, dann wäre meine Reise hier wohl unweigerlich zu Ende gegangen. Ein einziger Blick des Priesters auf mich – und alles wäre aus gewesen. So war ich denn zutiefst erleichtert, als wir uns kurz darauf wieder an Bord der Kathrina befanden und die Schleusentore sich hinter uns schlossen.
Dennoch, die Ungläubigkeit und das Entsetzen im Blick des Kapitän Ross, als er so unvermittelt mit diesen Vorwürfen konfrontiert worden war, hatten sich mir tief ins Bewusstsein eingebrannt.
Die nächsten Tage verliefen ereignislos. Die
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