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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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Mengen für gewöhnlich sind. All so etwas eben.“
    Etwas in meinem Hinterkopf regte sich. Was hatte Marten mir noch gleich aufgetragen, meinem Vater auszurichten? Folge dem Weg des heiligen Abendmahls.
    Hostien waren ein wesentlicher Bestandteil dieser Zeremonie, die den Abschluss und Höhepunkt eines jeden Gottesdienstes darstellte. Es gab sie in unterschiedlichster Ausführung. Kinder erhielten andere Hostien in den Mund gelegt, als Erwachsene. Männer andere als Frauen. Verheiratete andere als Junggesellen. Und Eltern andere als kinderlose Paare. Die Priester machten eine regelrechte Wissenschaft daraus. Jedem Gläubigen sollte seine ganz persönliche Segnung zuteil werden, im Namen des Leibes Christi.
    Ich hatte mir nie groß Gedanken über dieses Theater gemacht. Genauso wenig, wie über so manch andere seltsame Zeremonie. Die Rituale der Kirche hinterfragt man nicht.
    Nun aber, da Marten sich ganz offensichtlich für jenen Teil kirchlichen Wirkens besonders zu interessieren schien, warf dies für mich ein völlig neues Licht auf die Sache.
    Wenngleich ich mit dieser Information im Augenblick, auch noch nichts anzufangen wusste, so nahm ich mir doch vor, sie im Hinterkopf zu behalten.
    „Und von wem in Dublin erhältst du diese Fracht?“, fragte ich, neugierig geworden.
    Er sah mich belustigt an.
    „Vom Ordinariat der Dreifaltigkeit natürlich – dem größten der sieben Bischofssitze. Von hieraus wird ganz Irland beliefert.“
    Er sah meinen verwunderten Blick.
    „Natürlich nicht von mir alleine. Es gibt eine ganze Reihe an Kapitänen, die einen Vertrag mit der Dreifaltigkeit haben. Ist ein äußerst lukratives Geschäft. All die anderen Frachten, die wir sonst noch so aufnehmen, sind nur Zubrot.“
    Eine ganze Weile saßen wir noch so da und unterhielten uns über dieses und jenes.
    Irgendwann jedoch streckte Tom sich und gähnte kräftig.
    „Ist schon spät.“, sagte er. „Wir sollten uns jetzt aufs Ohr hauen. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag.“ Damit erhob er sich.
    Ich nickte und tat es ihm gleich.
    „Ach“, sagte er. „Ehe ich’s vergesse.“ Er langte in die Tasche und zog ein paar größere Münzen hervor. „Dein Lohn.“
    „Aber, das ist viel zu viel.“, entgegnet ich. Er jedoch drückte sie mir in die Hand.
    „Ist schon richtig so.“, meinte er. „Hast ordentlich gearbeitet! Da hast du auch ordentlichen Lohn verdient. Außerdem, irgendetwas sagt mir, dass du es noch wirst brauchen können.“ Er zwinkerte mir freundlich zu. „Hast dich anständig geschlagen. Und damit meine ich nicht nur die Sache mit Ross’ Mannschaft. Auch hier an Bord. Hast wirklich anständige Arbeit geleistet, mein Junge. So einen wie dich hätten wir brauchen können.“
    Damit ließ er mich stehen.

In Ruinen
     
    Langsam senkte sich die Abendsonne über dieses Meer von Ruinen.
    Es war bereits dunkel gewesen, als wir am Vortag in Dublin festgemacht hatten. Noch vor Morgengrauen hatte ich mich davongestohlen. Ich hatte mir meinen Beutel – den ich von Tom erhalten hatte und der nun vollgestopft war mit Lebensmitteln und anderen nützlichen Dingen – über die Schulter gehievt und mich leise von Bord geschlichen. Gerne hätte ich mich von Kieran und Colm verabschiedet, jedoch war mir klar, dass dies keine gute Idee gewesen wäre.
    Sobald mein Verschwinden bekannt geworden war, so hatte ich mit Tom ausgemacht, würde er wütend an Deck herumgelaufen sein. Er würde getobt haben, außer sich vor Zorn, und diesem nichtsnutzigen Lausebengel die Pest an den Hals gewünscht haben – der ihn und seine Gutmütigkeit derart ausgenutzt hatte.
    Dies war auch die Darstellung der Begebenheiten, die er der Kirche gegenüber auftischen würde – so wie allen, die sich möglicherweise sonst noch nach mir erkundigen mochten. Ich hoffte, dass er keine Schwierigkeiten bekam. Kieran und Colm jedenfalls würden seine Geschichte jederzeit bestätigen können.
    Ich hatte den neuen Stadtkern weiträumig umlaufen und mich langsam in Richtung des Meeres bewegt. Ich war nun ein ganzes Stück weit nach Norden gekommen. Doch noch immer nahmen die Ruinen und die verfallenen Straßenzüge kein Ende. Diese Stadt musste einst riesig gewesen sein. Obwohl ich bereits soweit gelaufen war, erstreckte sie sich noch immer bis zum Horizont – und darüber hinaus. Ich versuchte mir vorzustellen, wie viele Menschen hier wohl einst gelebt haben mochten – ich konnte es nicht.
    Endlich erreichte ich das Meer. Die alten Straßen – oder

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