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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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aus den dunklen Tagen vor dem Neubeginn. Dies allerdings erfuhr ich erst sehr viel später. Es stand unter direkter kirchlicher Verwaltung und war seither sogar noch erheblich erweitert worden, indem es nun Seen und Flüsse mit einband, zu denen zuvor keine Verbindung bestanden hatte.
    Das SS stand für Dampfschiff, wie ich mittlerweile erfahren hatte. Ich hatte noch nie zuvor eine Dampfmaschine gesehen. Bei uns im Dorf gab es keine. Wozu auch. Dennoch hatte ich natürlich davon gehört.
    In Schichten versorgten wir das Feuer unter dem Kessel mit Kohlen. In der Hitze des Sommers war das nun wahrlich kein Vergnügen.
    Und wenn wir an einer der vielen Anlegestellen unterwegs festmachten, dann hatte die Plackerei auch kein Ende. Dann mussten schwere Säcke geschleppt werden, mit Kohlen, Kartoffeln und einmal sogar Ziegeln, die aus den Mauern alter Häuser aus der dunklen Zeit geborgen worden waren und nun zum Bau neuer dienen sollten.
    „Letzten Herbst haben wir mal eine Herde Schafe von Naas bis nach Tullamore gebracht.“, hatte der rundgesichtige Colm mir einmal während einer solchen Schufterei erzählt. „Die konnten wenigstens selbst laufen!“
    „Dafür hatten wir aber dann wochenlang den Gestank an Bord!“, war daraufhin Kierans Einwand gewesen, der sich gerade einen neuen Sack über die Schulter geworfen hatte. „Selbst als wir die Viecher längst wieder runter hatten, vom Schiff.“
    Er, Colm, Tom – und nun auch ich – stellten die Mannschaft der Kathrina dar. Es waren raubeinige doch herzliche Gesellen. Ich kam soweit gut mit ihnen aus. Die Verpflegung war deftig und die Entlohnung ausreichend, um mir gelegentlich auch etwas Süßgebäck oder eine Flasche Malzbier leisten zu können, in einer der vielen Ortschaften, bei denen wir anlegten. Doch die harte Arbeit war eben nun mal alles andere als ein Zuckerschlecken.
    Ich hielt mich an Martens Ratschlag und gab den Flussschiffern keinen Grund zur Klage. Aber ich will ganz ehrlich sein, hätte ich mir nicht jederzeit vor Augen gehalten, dass ich dieses Leben kaum mehr als vier Wochen würde durchhalten müssen, so weiß ich nicht, ob ich diese Zeit dann auch so zuversichtlich durchgestanden hätte.
    Vier Wochen waren die durchschnittliche Fahrtdauer auf dieser Route, so hatte Kieran mir erzählt. Die Strecke selbst wäre natürlich, in weit weniger als der Hälfte der Zeit zu bewältigen – die vielen Zwischenhalte jedoch sorgten dafür, dass die Kathrina die gesamte Fahrt gerade mal ein halbes Dutzend mal im Jahr machte.
    Angenehme Unterbrechungen von der mühseligen Schufterei ergaben sich immer dann, wenn wir an eine der vielen Schleusen kamen, die in unregelmäßigen Abständen unsere Fahrt unterbrachen. Dann mussten wir warten bis wir an der Reihe waren. Die Schleusen wurden mit Pumpen betrieben, die ebenfalls von Dampfmaschinen angetrieben wurden. Wir genossen diese arbeitsfreien Stunden. Dann lagen wir zumeist an Deck herum, auf der faulen Haut, und ließen es uns gut gehen.
    Viele der einfachen Matrosen auf anderen Kähnen hatten nicht so viel Glück, wie ich inzwischen wusste. So mussten diese die Wartezeiten nicht selten verbringen, mit Schrubben, Kartoffelschälen, Wäsche waschen – oder was ihren Kapitänen eben sonst noch alles einfiel, ihnen das Leben aufregender zu gestallten. Tom aber legte keinerlei Wert auf derartige Unterhaltungsmaßnahmen, so dass wir alles in allem ein vergleichsweise gutes Leben führten.
    Immer wieder mal kam uns unterwegs ein anderer Frachtkahn entgegen. Man begrüßte sich dann, durch lautes Zurufen – oder warf einander Schmähungen an den Kopf. Je nach dem, wie gut man mit der anderen Mannschaft stand. Man kannte sich.
    Wie andernorts auch, waren die Flussschiffer eine eingeschworene, in sich abgeschlossene Gemeinschaft. Man heiratete sogar untereinander, wenn irgend möglich. Da jedoch der Anteil an Frauen auf den Kähnen sehr gering war, musste doch sehr häufig auf Nachwuchs von außerhalb dieser eigentümlichen kleinen Welt zurückgegriffen werden. Dies war wohl auch der Grund gewesen, dass Tom nicht lange gezögert hatte, einen ausgebüchsten Waisenjungen aufzunehmen, als der Puppenspieler mit dieser Bitte an ihn herangetreten war.
    Um nicht doch noch aufgegriffen und zurückgebracht zu werden, in die Obhut der Kirche, hatte Tom mich als seinen Neffen ausgegeben. Offiziell galt ich von nun an als Sohn seiner Schwester Margaret, die einst – allen Traditionen zum Trotz – ein Landei geheiratet

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