Das Habitat: Roman (German Edition)
konnte wohl auch kaum verhindern, was sich da gerade anbahnte. Ich wartete einen erneuten Zuruf also gar nicht erst ab und sprang an Land, um mich neben meine Kameraden zu gesellen.
Als ich den Ort des Geschehens erreicht hatte, flogen bereits die Fäuste. Ein zäher kleiner Bursche stürzte sich sofort auf mich. Zunächst rang ich ihn scheinbar mühelos nieder, dann jedoch begann er damit, mich an den Haaren zu ziehen. Er versuchte mir über das Gesicht zu kratzen, so dass ich mich abwenden musste. Dies nutzte der kleine Kerl, um mich in den Unterarm zu beißen. Unwillkürlich ließ ich los und er wand sich frei. Er sprang auf die Beine. Ich war ebenfalls sofort wieder oben. Von nun an hielt ich ihn mit Boxhieben auf Abstand. Zwar war er flink wie ein Wiesel, dennoch gelang es mir, ein paar ordentliche Treffer zu landen. Nur am Rande nahm ich war, dass der Schleusenwärter herausgestürmt kam – gefolgt vom Wachtmeister der Umgebung. Dass dieser des öfteren auf einen Minzetee (der, wie ich vermutete, durch ein anständiges Schlückchen Whisky verfeinert wurde) bei seinem Freund hereinschaute, hatten wir zu jenem Zeitpunkt noch nicht gewusst. Jedoch glaube ich nicht, dass es groß etwas geändert hätte, hätten wir’s gewusst. Die beiden Mannschaften waren offenbar bis aufs Blut verfeindet und die Konfrontation war unvermeidlich gewesen. Den Grund für diese Feindschaft habe ich übrigens nie erfahren.
Vermutlich wäre auch alles gar nicht so schlimm gekommen, hätte sich nicht der Schleusenwärter, der versucht hatte sich zwischen die Kontrahenten zu werfen, einen verirrten Schlag eingefangen, der ihn rückwärts taumeln ließ. Er kippte nach hinten über und schlug mit dem Kopf hart auf der Reling des hinteren Schiffes auf. Erst als ein lauter Schuss über unsere Köpfe hinweg knallte, ließen wir und unsere Gegner von einander ab.
Der Wachtmeister stand vor uns, mit seiner Pistole im Anschlag, und starrte uns wütend an. Nun erst sahen wir den Schleusenwärter, der blutüberströmt da lag und sich nicht mehr rührte.
Wir hatten Glück gehabt. Der Wärter war wieder wohl auf – wenngleich auch seinen Schädel ein riesiger weißer Verband zierte, als wir uns allesamt in der Ratsstube der nahen Ortschaft wiederfanden.
Der Bürgermeister des Ortes – ein mürrischer fettleibiger Mann – blickte uns wütend entgegen. Ein Stock lehnte neben seinem Stuhl, was darauf hindeuten ließ, dass er vom Rheuma geplagt wurde. Dies jedenfalls schien nicht gerade dazu beizutragen, uns gegenüber Nachsicht walten zu lassen. Er ließ sich den Vorfall in allen Einzelheiten schildern. Gerechterweise muss ich anmerken, dass die Ausführungen des Wachtmeisters, der mit seinem Gehilfen neben seinem angeschlagenen Freund platz genommen hatte, die tatsächlichen Begebenheiten ziemlich exakt wiedergab – wenngleich er auch die Mordlust, die in unser aller Augen gefunkelt haben soll, für meinen Geschmack etwas zu sehr herausstrich.
Wir hatten die Nacht eingesperrt im Keller des Rathauses verbracht und es sah alles danach aus, dass uns dieses Schicksal auch in dieser Nacht zuteil werden sollte.
Abschließend begutachtete der Bürgermeister noch unsere Frachtpapiere. Da der örtliche Priester an diesem Tag offenbar zu einem Sterbefall gerufen worden war, nahm er sich denn auch noch unsere Bescheinigungen der Einhaltungen der Unverderbtheit vor. Es kam wie es kommen musste. Als er auf der Urkunde der SS Kathrina, neben dem Namen des Kapitäns, nur noch zwei weitere Namen finden konnte, stellte er natürlich die entsprechenden Fragen.
Es lag an Tom, Rechenschaft abzulegen. Er hielt sich genau an die verabredete Geschichte und beteuerte, dass er die Urkunde noch nicht hatte ändern lassen können, da der Heimatort schließlich Dublin wäre – und genau dorthin sei man ja unterwegs.
Der Bürgermeister sah ihn scharf an. Jeder örtliche Priester könne dies zumindest provisorisch erledigen. Ob er das denn nicht wisse!
Tom wollte etwas erwidern. Der Bürgermeister winkte jedoch nur müde ab.
„Pater Mulligan wird wohl schon gegen Abend zurück sein – spätestens aber morgen. Soll der sich um die Angelegenheit kümmern.“
Schließlich wurden wir wieder in unseren Raum im Keller gebracht. Wie schon die Nacht zuvor, wurden wir alle zusammen dort eingepfercht. Es war wohl der einzige Raum gewesen, der sich hatte finden lassen, der für derartig Zwecke taugte. Hatte ich zunächst auch befürchtet, die Lage würde wegen
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