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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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So hatte ich denn den Beutel in einem Kasten, im hinteren Teil einer dieser rostigen Eisenkutschen, verstaut und den Deckel mit einem großen Bruchstein beschwert. Ein Wildhund würde da keinesfalls rankommen. Nur das Geld hatte ich eingesteckt sowie das Messer, das Pater Finn mir geschenkt hatte. Dieses hatte sich bereits mehrmals als äußerst nützlich erwiesen und ich war froh, dass ich es hatte.
    Zwei Stunden später hatte sich die Gegend erheblich verändert. Ich hatte die heutige Stadt erreicht. Das wilde Gestrüpp überwucherter Ruinen war übergegangen in eine eigenartige Anordnung von breiten Straßen, von denen eine Unzahl verwinkelter kleiner Gässchen abzweigte. Die Häuser waren aus solidem Backstein, wenngleich auch viele der verwandten Baumaterialien aus den Ruinen der einstigen Stadt stammen mochten, und die Straßen waren bedeckt mit dem üblichen Kopfsteinpflaster. Wie Marten es vorhergesagt hatte, fiel ich nicht auf, als ich mich durch die Menge der Menschen bewegte und den Weg zum Hafen hinunter einschlug.
    Viele Schiffe lagen dort an. Die meisten wohl Fischerboote. Jedoch konnte ich auch ein paar Frachtschiffe ausmachen. Zwar unterschieden sie sich deutlich von den Kähnen der Kanäle, dennoch vermochte ich sie klar von den Fischerbooten zu unterscheiden.
    Ich schlenderte eine Weile am Kai entlang, ohne jedoch die Gideon Brown entdecken zu können. Viele der anliegenden Schiffe trugen ebenfalls das Präfix SS im Namen. Hier jedoch stand es für Segelschiff, wie ich bereits wusste. Nun erst fiel mir auf, dass ausnahmslos alle der anliegenden Schiffe mit Segeln ausgestattet waren. Nicht ein einziges Dampfschiff war auszumachen. Dieser Antrieb schien offenbar den Flusskähnen vorbehalten zu sein – was mich sehr verwunderte. Ich getraute mich jedoch nicht, jemanden danach zu fragen.
    Es war bereits Mittag. Von einem nahen Kirchturm her schlug die zwölfte Stunde des Tages. Mein knurrender Magen trieb mich zu einem der offenen Verkaufsstände, von denen her es verführerisch duftete. Ich kaufte mir eine Portion Fish & Chips, suchte mir einen Platz auf den Hafenmauern, und ließ mich kauend nieder.
    Ich überlegte was ich nun tun sollte. Würde die Gideon Brown nicht im Hafen vor Anker liegen, so hatten Martens Anweisungen gelautet, solle ich mich in einem nahen Pub nach Jack Brandon erkundigen. Man würde ihn dort kennen. Dieser befand sich am anderen Ende des Hafens. Ich war bereits daran vorübergekommen. In einem Fenster aber war ein Schild gehangen, dass erst ab sechs Uhr abends geöffnet sein würde. Ich hatte also noch einen ganzen Nachmittag totzuschlagen.
    Plötzlich hatte ich dieses unangenehme Gefühl im Hinterkopf, beobachtet zu werden. Wie ich darauf kam wusste ich nicht. Es war eben nur so ein Gefühl. Ich sah mich um. Unbeteiligte Menschen hasteten vorüber, gingen ihren Geschäften nach, oder widmeten sich, gerade so wie ich, ihrem Mittagsmahl. Niemand schien auch nur das geringste Interesse an mir zu hegen. Auch nicht der große hagere Mann, der dort aufmerksam die Kundgebungen einer Anschlagssäule studierte. Und dann war das Gefühl auch schon wieder verschwunden. Wahrscheinlich hatte ich es mir auch nur eingebildet, so sagte ich mir – diese große fremde Stadt mit ihren vielen Menschen verwirrte mich noch immer.
    Als ich fertiggegessen hatte erhob ich mich und schlenderte zunächst eine Weile ziellos umher. Ich beschloss, mir mehr von dieser Stadt anzusehen. Was hätte ich auch sonst tun sollen. Ich vermied es jedoch, in eine der verwinkelten Seitengassen einzutreten und hielt mich an die breiten Hauptstraßen. Irgendwann erreichte ich einen großen gut gepflegte Park. Am entgegengesetzten Ende vermochte ich gewaltige Mauern zu erkennen, hinter denen mächtige Gebäude und auch Türme emporragten. Das ganze Gelände musste einfach riesige Ausmaße haben. Ich wusste sofort, was ich da vor mir hatte: Dies war die Dreifaltigkeit. Nicht nur der Sitz des hiesigen Bischofs, sondern auch das Herz der Kirche der Unverderbten Wahrheit. Von hieraus beherrschte sie unser aller Leben. Trotz der Beklemmung, die meine Kehle zuzuschnüren begann, konnte ich meinen Blick nicht von diesem majestätischen Anblick losreißen. Ehrfurchtgebietend und allmächtig thronten diese Gemäuer über der Stadt – und dem gesamten Land. Vor mir lag das Zentrum aller Macht auf Erden.
     
     
    Am Abend betrat ich den Pub. Bierdunst schlug mir entgegen. Ich hatte extra noch eine Stunde länger gewartet, da ich

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