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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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befürchtet hatte, als Fremder, in einem leeren Schankraum, womöglich zuviel Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Stimmengewirr und Gläsergeklirr verwoben sich mit dem melodischen Klang eines Akkordeons. Im Laufe des Abends würden noch weitere Musiker hinzukommen, so sagte man mir, als ich mich zur Theke durchgearbeitet hatte. Um nicht aufzufallen, bestellte ich mir ein Pint. Das Bier war dunkel und hatte einen angenehmen malzigen Geschmack.
    Einer der Umsitzenden, ein kleiner redseliger Mann, mit abgewetzten Hemdsärmeln und vom Alkohol geröteten Wangen, hatte sich mir zugewandt. Er hatte mich sofort in ein Gespräch verwickelt – wobei aber eigentlich nur er das Reden besorgte. Eines der Schankmädchen lächelte mir zu. Als er sich gerade einen tiefen Schluck seines Bieres gönnte, rief sie mir zu, ich solle dem alten Säufer nur nicht zu viel Beachtung schenken. Ich würde ihn und seine Geschichten sonst womöglich nie wieder loswerden.
    Es sah so aus, als solle sie recht behalten. Zwar fragte Sean, so sein Name, mehrmals nach meinem Namen, und was mich hier her verschlagen hatte – denn, dass ich nicht von hier war, dies hatte er sofort erkannt –, doch wartete er nie eine Antwort ab.
    Ich versuchte mehrmals ihn auf Jack Brandon anzusprechen, doch erst beim dritten oder vierten Anlauf hatte ich Erfolg. Er unterbrach seine Erzählung (was ich nicht unbedingt wirklich bedauerte – zumal er sie bereits zum dritten Mal wiederholte) und kratzte sich überlegend am Kinn.
    „Jack... klar kenne ich den alten Jack. Hab’ ihn aber seit ’ner Weile schon nicht mehr gesehen. Hey Roisin!“ Das Schankmädchen drehte sich nach ihm um. “Roisin, was ist eigentlich mit Jack los. Du weist schon, von der Gideon Brown!“ Er musste Brüllen, um die Umsitzenden zu übertönen, die sich lauthals in einem Streit ergingen, darüber, ob ein gewisser Charlie McHurren nun die Tochter des Milchmannes geheiratet hatte, oder deren Cousine Suzanne. Das könne gar nicht sein, rief es vom anderen Ende der Theke her. Ihr Vater wäre Hufschmied in Malahide! Das könne er bezeugen – bei allem was ihm heilig wäre! Unsinn – kam es von einer anderen Seite. Ob er denn nicht wisse, von wem man eigentlich rede.
    „Jack Brandon...“ Roisin überlegte kurz. „Den habe ich schon seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen. Außerdem hat er noch eine Rechnung offen. Bestell ihm das, wenn du ihn siehst!“
    „Mein junger Freund hier sucht nach ihm.“, sagte Sean.
    Das Mädchen nickte.
    „Hey Leute!“, rief sie in die Runde. Die Streithähne sahen hoch. Ich wünschte, sie hätte das nicht getan. Die Aufmerksamkeit war mir äußerst unangenehm.
    „Hat einer von euch in letzter Zeit den alten Brandon gesehen!“
    Ratloses Murmeln war die Folge.
    „Ich glaube, der ist vor drei Wochen hoch nach Ulster. Soll da ’ne Fracht gehabt haben...“, rief einer.
    „Das ist Ramsey, von dem du da sprichst, du Holzkopf. Der alte Jack is’n Fischer. Is’ er schon sein Leben lang. Darauf schwör ich jeden Eid!“, kam es sofort von anderer Seite.
    Hierauf entbrannte ein heftiges Streitgespräch, das nahezu identisch ablief wie das zuvor unterbrochene. Nur die genannten Namen waren nun andere.
    Roisin sah mich an und zuckte mit den Schultern. Ich dankte ihr und sie wandte sich wieder ihren Gläsern zu.
    Wenig später trat ich ins Freie und machte mich auf den Weg zurück zu meinem Unterschlupf. Als ich am Kai entlang ging, besah ich mir noch einmal die anliegenden Schiffe. Die Gideon Brown war natürlich auch jetzt nicht darunter.
    Ein Trawler machte gerade fest. Die Waking Ned. Als die Mannschaft an Land ging trat ich auf sie zu und fragte, ob sie etwas über die Gideon Brown wüssten.
    „Das is’ der Pot von Jack Brandon. Was willst’e denn von dem, eh?“ Der Fischer sah mich misstrauisch an. Er hatte ein raues, wettergegerbtes Gesicht. Seine beiden Gehilfen bauten sich neben ihm auf. Ich bereute schon, sie angesprochen zu haben.
    „Ich komme von ’nem Flusskahn.“, sagte ich, wobei ich mir Mühe gab, meinen Galway–Akzent zu verbergen, und mich der Sprache der Flussleute zu bedienen. Doch der Versuch scheiterte kläglich.
    „Ich soll bei ihm anheuern.“
    Es war das Nächstbeste was mir einfiel. Die Männer lachten laut. Gerade so, als hätte ich eben einen besonders lustigen Witz gemacht. Allerdings schien nun das Eis gebrochen. Ihre Blicke hellten sich auf.
    Der Fischer musterte mich von oben bis unten und schüttelte dann den

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