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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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schön.«
    Jasper untersucht die Kokosnuss wie ein Stück Holz. Mit seinem steifen Zeigefinger – Kreissäge – klopft er gegen die Schale. Er schüttelt die Nuss nah am Ohr, bürstet den drahtigen Pelz mit dem Daumen.
    »Wo hast du das Ding her?«, fragt Cora.
    »Ceylon«, sagt Mo. »Ich hab’s wie die kleinen braunen Jungs gemacht, barfuß die Palme hoch wie ein Äffchen und dann geschüttelt und gerüttelt.«
    »Wo liegt dieses Ceylon?«, fragt Edelgard, die die Nuss von Jasper entgegengenommen hat. Sie riecht daran.
    »Vierzig Meilen vor Indien«, sagt Frank, der gerade zur Tür hereinkommt. »Die Kinder sind im Bett.«
    »Meilen!«, sagt Siegmar und schüttelt den Kopf.
    »Wir löschen da Maschinen«, erklärt Mo. »Textilmaschinen. Und MZ . In Colombo kommen sie dir entgegen auf unseren knatternden Mopeds und Motorrädern. In unseren Selastikklamotten. Da verstehst du die Welt nicht mehr. In Colombo laden wir Tee, Kaffee, Gewürze und Kokosnüsse. Das alles bringen wir aber nicht zu uns, sondern nach Triest. Zu uns kommen wir leer zurück.« Mo nimmt Edelgard die Nuss ab und reicht sie an Inge weiter, die damit nichts anzufangen weiß und sie Siegmar gibt.
    »Beziehungsweise nicht ganz leer.« Mo hebt sein Glas und sagt mit Pomp: »Diese Nuss ist durchgekommen, als einzige Nuss ist diese Nuss zu uns gereist und bis in unsere Tiefebene gelangt.«
    »Zaubernuss«, sagt Cora.
    »Ein Nusswunder«, sagt Jasper.
    »Ein Nusskader«, sagt Frank.
    Die Draufgänger und Abenteurer stoßen an.
    »Und wie machen wir die jetzt auf?«, fragt Siegmar.
    »Man nimmt eine Machete und köppt sie wie ein Kackei«, sagt Mo und wischt sich über den Mund.
    »Aber wir haben doch gar keine Machete«, sagt Edelgard.
    »Nein, zufällig haben wir keine Machete«, sagt Frank.
    »Wir haben gewiss einen Eierschneider«, sagt Jasper.
    »Du kriegst nüscht mehr«, sagt Cora und schiebt die Wodkaflasche weg.
    »Da oben hat sie so kleine Dellen, die Fontanellen sozusagen. Da kann man durchstoßen«, sagt Mo.
    »Mutti, wo ist denn der Büchsenöffner?«, fragt Siegmar.
    Alle schauen Polina an. Sie ist fast vergessen worden, und fast ist auch vergessen worden, was das für ein Abend ist und dass es doch gar nicht ohne sie geht. Sie weiß alles an seinem Platz und reicht Siegmar den Büchsenöffner.
    Der sagt: »Mutti, halt mal.«
    Diesmal meint er nicht Polina, sondern seine Frau. Polina fragt sich, ob er später einmal »Omi« zu Inge sagen wird. Gut ist das nicht, denkt sie, die kein Mann je »Mutti« genannt hat. Aber Inge lässt sich nicht ins Bockshorn jagen. »Damit de mir die Pfoten zermehrst«, sagt sie breit.
    »Dann halte du«, sagt Siegmar zu Jasper, bei dem es nicht mehr drauf ankommt.
    Jasper schließt seine braunen Finger um die Nuss, Siegmar setzt den Dorn auf eine der Vertiefungen und stößt mit dem Handballen zu. Die Nuss poltert zu Boden, und beide Männer fluchen.
    »Dumme Nuss«, schimpft Jasper, alle lachen. Auch Rudolf lacht. Heiser, es ist eher ein Röcheln.
    »In den Schraubstock«, ruft Siegmar, der sich nicht von einer halbindischen Nuss besiegen lässt.
    »Dein erstes vernünftiges Wort heute«, sagt Frank.
    »Komm, komm«, sagt Jasper und stemmt sich nach oben.
    »Alle in die Garage«, befiehlt Siegmar. Er geht voran, die Nuss am langen Arm, und er sieht für ein paar Sekunden aus wie Potti Wahl. Edelgard hilft Rudolf auf, Polina stützt ihn auf der anderen Seite. Almut, Anita, Frank und Cora folgen. Den Schluss bildet Mo, der Coras Hintern studiert. Dessen Arschbacken machen etwas, das erstens nicht geht, wissenschaftlich betrachtet, und zweitens verboten werden sollte, humanitär betrachtet. Und im übrigen ist »Ceylon« der imperialistische Name aus kolonialer Zeit, korrekt ist das nicht, historisch betrachtet.
    Draußen ist es dunkel und kalt, die Büsche sind schwarz. Die Bogenlampen schütten ihr Limonadenlicht aus. Kein Autoverkehr auf der Ausfallstraße, den Tafelberg umarmt die Nacht, leise ächzen die Bagger im Tagebau.
    Mo betritt als Letzter die Garage. Im singenden Neonlicht stehen alle um den Schraubstock, umgeben von öliger Schwärze. Es ist ein Rembrandtbild: ein aus der Nacht gerissener Lichtfetzen.
    »Dreh nicht zu fest zu«, sagt Jasper zu Siegmar, der den Schlegel mit einem Finger herumwirbelt, bis die Eisenbacken die Nuss packen.
    »Ja doch«, sagt Siegmar, und es tut einen Schlag. »Scheiße.«
    »Penner«, sagt Frank.
    »Komm, komm«, sagt Jasper und leckt seine Finger. Er ist der Einzige,

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