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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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vierzehn Stufen in den ersten Stock und zwölf Fuß nach rechts, dann kommt Leos Zimmer. Hinter der Schwelle sind es genau neun Fuß hin zu ihren Schrankfächern, in denen noch ihr Geruch liegt. Von der Haustreppe bis zum Briefkasten sind es zwölf Schritte, die letzten zwei rechtsrum. Er findet drei Kuverts. Mittags kommen Kerstin und Falk. Auf dem Cello spielt sie »Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen«, Falk singt gar nicht mal schlecht. Kerstin bietet an, ihm die Briefe vorzulesen. Einer ist von seinem Vater aus der »St VE Brandenburg«, Falk weiß inzwischen Bescheid. Der zweite stammt von seiner Großmutter, und der dritte hat keinen Absender. Den hebt er auf. Seine Großmutter schreibt, dass ein Päckchen auf dem Weg und Gesundheit das Wichtigste sei.
    »Mein lieber Jakob, wie unendlich traurig bin ich, daß ich diesen Tag nicht mit Dir verleben kann. So gern hätte ich mit Dir angestoßen, denn vierzehn, das ist ein Alter, wo man auf das Leben trinken muß, das vor einem liegt. Mit vierzehn habe ich Rudolfs AWO geklaut und auf der Asche einen astreinen Unfall damit hingelegt. Du sollst Dir kein Vorbild an mir nehmen, in so gut wie gar nichts. Deine Mutter hat für Dich vorgesehen, daß Du einmal etwas Tolles wirst, ein Rechtsanwalt oder ein Dirigent. Ich rate Dir, sei einfach Du selbst. Hab weiter den Mut, Dir Deine eigenen Gedanken zu machen und danach zu handeln, darum geht es doch im Leben. Ich bin stolz auf Dich, daß Du Dir kein Hemd (wir beide wissen, in welcher Farbe) in den Schrank gehängt hast, aber überlege bitte noch einmal, ob Du nicht doch zur Taufe gehen willst. Du mußt nicht so verbiestert sein, wie ich es zu oft war. Und he, es ist nie verkehrt, auf der sicheren Seite zu stehen, was das ewige Leben angeht, ok? Wenn man vierzehn ist, erlauben es einem die ■■■■■■■ Menschen hier, in Begleitung eines Erwachsenen zum Besucher zu kommen. Ich denke viel an Dich, und manches berichtet mir Eva, aber ich möchte doch mit eigenen Augen sehen, wie groß Du geworden bist. Es würde mich freuen, wenn Du mich besuchen kommst. Nun laß es Dir gutgehen und hau ordentlich auf die Pauke mit Deinen Freunden. Auch ich hänge heute einen frischen grünen Frosch – so heißen die Teebeutel hier – in meine ■■■■ tasse, und ich hebe diese meine ■■■■ tasse und trinke auf Dich, mein lieber großer Junge. Dein Papi.«
    Kerstin schweigt. Dann sagt sie: »Über einigen Worten sind ganz oder zum Teil schwarze Balken.« – »Das machen die Aufseher«, erklärt er, »sie zensieren, was ihnen nicht passt.« – »Der erste Teil von ›tasse‹ ist geschwärzt«, sagt Falk, »wieso.« Kerstin grübelt, wie der zensierte Wortteil lauten könnte: » TEE tasse, KAFFEE tasse, HENKEL tasse? Was hat denn der Henkel von der Tasse verbrochen?« – »Es ist nicht der Henkel, der was verbrochen hat, es ist das Blech.« – »Apropos«, sagt Falk und raschelt mit einem Beutel. »Ich habe zwar keinen Schampus, aber Zin-za-no aus der Hausbar meines Vaters.« Auch Kerstin trinkt mit. Hätte er nicht gedacht.
    Früher als sonst kommt Eva nach Hause. Sie drückt ihn an sich und begrüßt seine Freunde. Er riecht ihr Parfüm und keinen Schnaps. »Ich habe Omas Päckchen abgeholt, und ich habe Ananasringe bekommen. Während ihr auspackt, mache ich zur Feier des Tages Toast Hawaii. Dann stoßen wir zusammen an.« In dem Päckchen befinden sich nach Aussage von Falk ein Fläschchen Clearasil, ein Rasierer von Gillette und ein Briefchen Klingen. Er lehnt es ab, sich von Falk rasieren zu lassen. Der findet Toast Hawaii »Hammer«, und Kerstin fragt, warum er immer so fies zu Eva ist. »Auf der Rüstzeit war sie total nett, und auch Wolf ist ein Netter.« – »Wer ist Wolf?« – »Na, ihr Bekannter.«
    Nachdem Kerstin gegangen ist, baut Falk ihm aus Clearasil noch einen Punker. »Seit ich blind bin, weiß ich nicht mehr, wie mein Vater aussieht«, sagt er zu seinem Freund. »Grad wenn ich mich besonders anstrenge, dann sehe ich ihn überhaupt nicht vor mir.« – »Er sah aus wie Magnum«, sagt Falk, »mit dunklen Locken und Schnauzer.« – »Stimmt.« Jetzt hat er ein falsches Bild von seinem Vater, aber er hat eins.
    Am Abend hört er noch ein wenig fern. Nach langjährigen Arbeiten wird die Wartburg wieder für den Besucherverkehr eröffnet, ohne Tintenfleck. Im Westfernsehen sagen sie, die Wartburg wurde restauriert, im Ostfernsehen sagen sie, sie wurde rekonstruiert. Hier übersetzte

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