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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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schrieb er in die Ostspalte SS  20, und in die Westspalte schrieb er Pershing . Gegen den Westen sprach schließlich, dass man nicht so ohne Weiteres hinkam.
    Er hatte Hunger und schob sein Notizheft von sich. Er hätte jetzt gern eine Portion Würzfleisch bestellt, mit Wuster-Soße, so sprach man das nämlich aus, aber der Wirt und die Kellnerin beachteten ihn nicht. Stattdessen beachteten ihn zwei Männer, die am Nebentisch Platz genommen hatten. Beide waren schlank, fast dünn, trugen Jeansjacken und Lederwesten. Im Nacken rollten sich ihre Haare, fransige Bärte kitzelten ihre Oberlippen. Vielleicht waren es noch gar keine Männer, sondern bloß Jugendliche. Biertulpen standen vor ihnen, und Zigarettenschachteln mit Schachbrettmuster lagen auf dem gehäkelten Deckchen: Karo. Unter dem Stuhl des einen war ein gelber Motorradhelm deponiert. Der Stuhl wurde zurückgeschoben, der andere Stuhl wurde zurückgeschoben.
    Es interessierte den Schankwirt und die Kellnerin kein bisschen, dass sich die beiden Kerle einfach an seinen Tisch setzten. Auch die paar anderen Gäste nahmen davon keine Notiz. Einer ließ sich links, einer rechts von ihm nieder. Sie stellten ihre Biergläser auf dem Tisch ab und warfen die Zigarettenpackungen daneben.
    »Schon mal richtig lange getaucht?«, sagte der eine.
    »Schon mal die Bibel durchgelesen?«, sagte der andere.
    Er konnte sie kaum auseinanderhalten, sie sahen aus wie Brüder. Die gleichen Ohrstecker, die gleichen Silberringe an den Fingern, die gleichen Lederarmbänder. Einer jedoch hatte einen rot lackierten Fingernagel, es war der Nagel des kleinen Fingers der linken Hand. Vom rechten Augenwinkel des anderen rannen zwei blaue Tränen auf die Wange. Auch sein Hals war tätowiert, Stacheldraht lag auf seiner Gurgel.
    »Schon mal alleine verreist?«, sagte der Tätowierte.
    »Schon mal mit ’nem Brennnesselblatt den Arsch abgewischt?«, sagte der andere.
    Er spürte, dass sein Atem flach wurde, dass ihm die Luft ausging. Eines der letzten Worte, die er dachte, war: Hirschfänger.
    »Sprache verschlagen?«, sagte der Tätowierte.
    »Taubstumm?«, sagte der andere.
    Sie sahen aus wie Füchse, die um einen Kaninchenstall strichen. Ich bin ein Fuchs, sagt der Fuchs.
    Der mit dem Fingernagel schlug sich gegen die Stirn. »Taubstumm!«, wiederholte er kopfschüttelnd. »Nicht reden, nur schreiben!«
    »Da wollen wir doch mal sehen, mein Herr, was so geschrieben steht«, sagte der andere und griff nach dem Notizheft. Er leckte seinen Zeigefinger an und blätterte langsam Seite für Seite um, bis er zum Vorsatzblatt gelangte. Er las, was darauf stand: »Neues Lexikon für Kinder«.
    Der andere entriss ihm das Heft und las: »Von Jakob Friedrich«.
    »Wir waren auch mal Kinder, Jakob«, sagte der Tätowierte traurig.
    »Lange her«, sagte der andere und blätterte weiter. Seine Augen sprangen über die Zeilen. »Der Buchstabe F«, sagte er und bog das Heft auseinander. »Was fällt uns zum Buchstaben F ein?« Er trank von seinem Bier und wischte sich den Schaum aus dem Bärtchen. Dann steckte er sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück. Noch immer schenkte ihnen niemand Beachtung. Der Abend hatte die Fenster verdunkelt.
    »Also an Ficken hätten wir auch gedacht«, sagte der mit dem Fingernagel und bließ Rauch aus. »Vielleicht sogar an Freiheit. Wer Falk ist, wissen wir nicht, und Familienzusammenführung interessiert uns nicht.«
    »Wir haben keine Familie«, sagte der Tätowierte und entwendete dem anderen wieder das Heft. Mit sorgenvoller Miene las er weiter. Auch er zündete sich eine Zigarette an und trank. Dann schlug er das Heft zu und warf es mit einem Seufzer auf den Tisch. »Noch nie so was Schlechtes gelesen, mein Herr«, sagte er.
    »Kinderkacke, nichts als Kinderkacke«, bestätigte sein Kumpel.
    »Nichts erlebt, die Kleine«, sagte der Tätowierte. »Weiß nix vom Leben und Sterben der Königstiger, immer nur Eintagsfliegen gehascht.«
    »Nie ins Feuer gefasst«, sagte der Tätowierte. »Nie Gift getrunken. Kein Bein gebrochen, keinen Toten gesehen. Immer nur Obst gegessen. Sonne auf’m Arsch, und Puderzucker obendrauf.«
    »Großes Problem«, sagte der andere.
    »Wie wär’s mit ein bisschen Blut? B wie Blut?«, sagte der Tätowierte.
    Der andere zog die Nase hoch. »Das ist doch kein Grund zu weinen«, sagte er.
    »Freilich, das ist ein Grund«, sagte der Tätowierte. Zum ersten Mal waren sie nicht einer Meinung.
    Doch dann lenkte der andere ein und sagte:

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