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Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Das halbe Haus: Roman (German Edition)

Titel: Das halbe Haus: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Cynybulk
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halten sich genau die Waage. Also ich hab nichts dagegen.«
    »Leider liegt kein Foto bei«, sagt Monika und reicht den Umschlag an Anita weiter, die ihn umdreht und nach den Absenderangaben sucht.
    »›C/o Devrient, Straßmannstr. 44, 1034 Berlin‹«, liest sie vor.
    »Wofür steht dieses c/o?«, fragt Monika.
    »›Care off‹«, sagt Dr. Spohn. »Das ist englisch und bedeutet: ›in der Obhut von‹. Oder einfacher gesagt: ›zu Händen von‹.«
    »Sie wohnt wohl zur Untermiete«, sagt Simone. »Leider in Berlin.«
    »Sie fragt nach seinem Namen, aber ihren behält sie für sich«, wendet Inge ein.
    Vornamen sind Berührungen, man fasst sich nicht beim ersten Mal an, denkt Anita.
    »Geben wir ihm jetzt diese eine Karte weiter?«, fragt Helga Novak. »Oder müssen wir ihm nicht alle Briefe zeigen, sodass er seine eigene Auswahl treffen kann?«
    »Auf keinen Fall lassen wir ihn entscheiden«, sagt Anita. »Männer brauchen Hilfe. Nur Frauen wissen, wie Frauen wirklich ticken.«
    »Sehr richtig«, sagt Dr. Spohn. »W ir wählen aus. Nüchtern und sachlich.«
    »Also geben wir ihm nur diese eine Karte«, sagt Helga Novak.
    »Noch nicht«, sagt Anita. »Erst müssen wir sie beantworten.«
    »Sehr richtig«, sagt Dr. Spohn.
    »Jetzt brauchen wir Nachschub«, sagt Simone. Sie holt den Wodka und schenkt ein. Sie trinken. Sie schweigen, sie trinken.
    »Wie soll das denn gehen?«, sagt Inge nach einiger Zeit. »Wir müssen seine Adresse nennen, und dann kriegt er die Antwort.«
    »Postlagernd«, sagt Anita.
    »Und wir wissen gar nicht, was er am liebsten isst«, sagt Helga Novak.
    »Paella«, sagt Monika.
    Dr.   Spohn steckt sich eine Zigarette an. »Wir dürfen der Frau um Himmels willen nicht auf den Leim gehen. Die ist raffiniert, das spüre ich. Bloß nicht brav antworten, Punkt eins, zwei, drei.«
    »Das glaube ich auch«, sagt Anita. »Wir haben es mit einer Tigerin zu tun, die gezähmt werden will. So geht das Spiel.«
    »Gut«, sagt Inge. »Hast du Postkarten im Haus?«
    Im Betrieb gehen die Frauen Frank Friedrich aus dem Weg. Aus der Ferne jedoch beäugen sie ihn. In der Kantine beobachten sie, was er auf sein Tablett lädt, wovon er mit Appetit isst. Einmal steht Anita hinter ihm in der Schlange. Es gibt den zweiten Tag in Folge Soljanka. »Was ist eigentlich dein Leibgericht?«, fragt sie so beiläufig wie möglich. – »Komisch«, antwortet er, »das hat mich die Spohn gestern auch schon gefragt. Bin ich etwa fett geworden?«
    Dr.   Spohn wiederum kommt in der Kaffeepause zu Anita und flüstert: »Und, haben wir schon eine Antwort erhalten?«
    »Nein«, sagt Anita, »noch nicht. Ich habe aber gehört, dass Sie ihn nach seinem Leibgericht gefragt haben.«
    »Ja«, sagt Dr.   Spohn.
    »Hat er Paella gesagt?«
    »Nein.«
    »Was hat er gesagt?«
    »›Alles außer Soljanka.‹« Dr. Spohn holt eine Zigarette aus der Packung. »Hoffentlich waren wir nicht zu frech mit unserer Karte. So langsam dürfte sie mal fauchen, die Tigerin.«
    »Auch das gehört zum Spiel«, sagt Anita, ohne dass sie sich ihrer Sache gewiss ist. »Den anderen warten lassen. Eine Xanthippe sein.«
    Vielleicht waren sie doch zu arrogant und zu beschwipst gewesen. Dr. Spohn hatte darauf bestanden, dass ein eigener Wille zum Vorschein komme. Ein bisschen Herablassung sei gar nicht verkehrt und würde doch gut zum Kollegen Friedrich passen, sagte sie. Über eine menschliche Seele könne man nur herrschen, wenn man sie sehr taktvoll unterwerfe. In jeder Liebe gebe es einen feinen Teil Verachtung. Das Verschweigen der Adresse, das Nichtbeantworten der Fragen – all das seien entscheidende Signale der Stärke.
    Im Gegenzug sei es aber wichtig, Franks Sehnsucht anzusprechen, sagte Monika. Frankreich, Amerika, dieses Fernweh eben.
    Auch das reize die Tigerin, sagte Dr.   Spohn. Dass so jemand schwer zu halten sei. Das sei ihre Herausforderung. Außerdem könne sie hinterher nicht behaupten, es sei ihr verschwiegen worden. Dazu noch ein bisschen Charme, und fertig sei die Chose.
    »Wir verstehen ihn besser als er sich selbst«, sagte Helga Novak.
    »Ob ihr euch da mal nicht täuscht«, sagte Inge.
    Sie entschieden sich für die Karte mit dem Völkerschlachtdenkmal. Anita holte die Schreibmaschine, und diesmal gab Dr. Spohn den Text vor:
    »›Liebe Unbekannte, ich danke Ihnen für Ihre Zeilen. Wenn Ihre Haare die Länge eines Sonnenuntergangs haben, dann belegen Sie das Bad morgens sicher für die Dauer des Sonnenaufgangs. Mein

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