Das Halsband der Koenigin 2
fort, »lieben Sie diejenigen, welche Sie verachten; lieben Sie diejenigen, welche Sie vergessen; lieben Sie diejenigen, welche Sie hintergehen ... es ist das Eigenthümliche großer Seelen, daß sie in ihren großen Zuneigungen verrathen werden; es ist das Gesetz Jesu Christi, Böses mit Gutem zu vergelten. Sie sind ein Christ, Herr von Taverney.«
»Mein Herr!« rief Philipp ganz erschrocken, daß er Cagliostro so in der Vergangenheit und in der Gegenwart lesen sah, »kein Wort mehr, denn wenn ich das Königthum nicht vertheidige, so vertheidige ich die Königin, d.h. eine achtungswerthe, unschuldige Frau, achtungswerth noch, wenn sie es nicht mehr wäre, denn es ist ein göttliches Gesetz, die Schwachen zu vertheidigen.«
»Die Schwachen! Nennen Sie eine Königin ein schwaches Wesen? eine Frau, vor welcher achtundzwanzig Millionen lebendiger denkender Wesen das Knie beugen? oh! gehen Sie!«
»Mein Herr! man verleumdet sie.«
»Was wissen Sie davon?«
»Ich will es glauben.«
»Sie denken, das sei Ihr Recht?«
»Allerdings.«
»Wohl! mein Recht ist, das Gegentheil zu glauben.«
»Sie handeln wie ein böser Geist.«
»Wer sagt Ihnen das?« rief Cagliostro, dessen Auge plötzlich funkelte und Philipp mit Glanz übergoß, »woher kommt die Vermessenheit, zu glauben, Sie haben Recht und ich habe Unrecht? Woher kommt die Kühnheit, Ihr Princip dem meinigen vorzuziehen? Sie vertheidigen das Königthum! Wohl! wenn ich die Menschheit vertheidigte? Sie sagen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist; ich sage: Gebt Gott, was Gottes ist. Republikaner von America, Ritter vom Cincinnatusorden, ich erinnere Sie an die Liebe zu den Menschen, an die Liebe zur Gleichheit. Sie gehen auf den Völkern, um den Königinnen die Hände zu küssen; ich , ich trete die Königinnen mit Füßen, um die Völker um einen Grad zu erhöhen. Ich störe Sie nicht in Ihren Anbetungen, stören Sie mich nicht in meiner Arbeit. Ich lasse Ihnen das große Licht des Tages, die Sonne des Himmels und die Sonne der Höfe; lassen Sie mir den Schatten und die Einsamkeit. Sie begreifen die Stärke meiner Sprache, wie Sie vorhin die Stärke meiner Individualität begriffen haben. Sie sagten zu mir: Stirb, da Du den Gegenstand meiner Verehrung beleidigt hast; ich sage: Lebe, obschon Du meine Anbetungen bekämpfst, und wenn ich dieß sage, so geschieht es, weil ich mich mit meinem Princip stark fühle, weil weder Sie, noch die Ihrigen, so sehr Sie sich auch anstrengen mögen, mich nur einen Augenblick in meinem Gange aufhalten werden.«
»Mein Herr! Sie erschrecken mich,« sagte Philipp; »mit Ihrer Hilfe bin ich vielleicht der Erste in diesem Land, der die Tiefe des Abgrundes erblickt, dem das Königthum zuläuft.«
»Seien Sie klug, wenn Sie den Absturz gesehen haben.«
»Sie, der Sie mir dieß sagen,« erwiderte Philipp, bewegt durch den väterlichen Ton, mit dem Cagliostro zu ihm gesprochen hatte, »Sie, der Sie mir so furchtbare Geheimnisse enthüllen, Sie ermangeln noch des Edelmuthes; denn Sie wissen wohl, daß ich mich in den Schlund werfen werde, ehe ich diejenigen, welche ich vertheidige, hineinfallen sehe.«
»Wohl denn! ich werde Sie gewarnt haben und wasche mir, wie jener Präfect des Tiberius, die Hände, Herr von Taverney.«
»Wohl! ich!« rief Philipp, mit einer fieberhaften Heftigkeit auf Cagliostro zulaufend, »ich, der ich nur ein schwacher und Ihnen gegenüber untergeordneter Mensch bin, ich werde mich gegen Sie der Waffen des Schwachen bedienen, ich werde Sie mit feuchtem Auge, mit zitternder Stimme und gefalteten Händen ansprechen; ich werde Sie anflehen, mir nur dießmal Gnade für den Gegenstand Ihrer Verfolgung zu gewähren. Ich werde Sie für mich bitten, hören Sie wohl, für mich, der ich mich, ich weiß nicht warum, nicht daran gewöhnen kann, in Ihnen einen Feind zu sehen; ich werde Sie erweichen, ich werde Sie überzeugen, ich werde es endlich bei Ihnen erlangen, daß Sie mich nicht dem Gewissensbiß preisgeben, den Untergang der armen Königin gesehen und ihn nicht beschworen zu haben. Kurz, mein Herr, nicht wahr, ich werde es bei Ihnen dahin bringen, daß Sie das Pamphlet verbrennen, das einer Frau Thränen auspressen wird; ich werde das von Ihnen erlangen, oder, bei meiner Ehre, bei der unseligen Liebe, die Sie so wohl kennen, mit diesem gegen Sie ohnmächtigen Degen durchbohre ich mir das Herz zu Ihren Füßen.«
»Ah!« murmelte Cagliostro, indem er Philipp mit Augen voll beredten Schmerzes anschaute: »ah! warum
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