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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Gespräch auf Japanisch, das ich jetzt nicht wiedergeben werde, sonst erfährt der Leser vor der Zeit alles, und Watson-Sensei sagt, das ist gegen die Regeln der Detective Story (dieses Wort würde ich ungefähr so übersetzen:

    X

    Als Des Essarts ins Schloss zurückkehrte, hatte ich meine Selbstkasteiung beendet und die Verlegenheit restlos abgeworfen. Von Holmes instruiert, wusste ich genau, was ich in dieser oder jener Situation zu tun hatte. In Erwartung der nahen Lösung schlug mein Herz rasch, aber munter.
    Wir versammelten uns alle im Speisezimmer. Der Schlossherr kam mit einem großen Ledersack herein und wuchtete ihn ächzend auf den Tisch.
    »Hier, das sind hundertfünfundsiebzig Bündel zu je zehntausend Franc«, plapperte er, wobei er uns forschend musterte, aber nicht wagte, nach dem Wichtigsten zu fragen. »Wie viele Erklärungen ich deswegen geben musste! Der Herr Direktor konnte einfach nicht verstehen, warum ich mein gesamtes Geld vom Konto abheben muss, noch dazu am Silvesterabend. Er versuchte lange, mir das auszureden, bat mich, wenigstens bis morgen zu warten – schließlich werden die Jahreszinsen erst am ersten Januar berechnet. Und zu guter Letzt bestand er auch noch darauf, dass zwei Gendarmen mich nach Hause begleiten. Erst am Schlosstor bin ich diese Eskorte losgeworden. Ich durfte sie unmöglich hereinlassen. Die Gendarmen hätten es vielleicht verdächtig gefunden, dass keine Dienstboten hier sind und ich das Tor selbst öffne. Und Lupin hätte womöglich geargwöhnt, ich hätte unsere Abmachung gebrochen und mich an die Polizei gewandt.«
    Er machte runde Augen und fuhr ängstlich fort: »Aber dann dachte ich: Was, wenn mich nun jemand auf dem Weg durch den Park überfällt? Ich gebe meinen Pferden nie die Peitsche, aber diesmal riss ich so an den Zügeln, dass ich den Park wie im Flug durchquerte.«
    Wir hörten schweigend zu. Die Uhr zeigte Viertel zehn.
    Des Essarts blickte zu Holmes, dann zu Fandorin. Deren Gesichter waren undurchdringlich. Dann schaute er zu mir – ich seufzte. Der Japaner lächelte unbestimmt.
    »Sie haben den Code nicht entschlüsseln können, nicht wahr?«, fragte der Schlossherr hoffnungslos.
    Holmes und Fandorin sahen sich an. Keiner der beiden sagte ein Wort.
    »Ich muss mich also von dem Geld trennen?« Des Essarts blickte auf den Ledersack und blinzelte heftig.
    »Selbstverständlich. Wir werden doch nicht um unseres Stolzes w-willen das Leben des Mädchens riskieren, oder?«
    Der Russe warf einen fragenden Blick auf Holmes. Mein Freund runzelte die Stirn und schüttelte nach einer Pause den Kopf: Nein, das werden wir nicht.
    Fandorin wandte sich an den Schlossherrn.
    »Mr. Holmes und ich sind bisher getrennt vorgegangen, nun werden wir versuchen, unsere Kräfte zu vereinen. Wir werden ein B-brainstorming veranstalten. Wir haben nur noch gut zwei Stunden bis halb zwölf, dann müssen wir nach Lupins Bedingungen das Haus verlassen … Gehen Sie, Sir, Sie haben Ihren Teil geleistet. Jetzt wären Sie uns nur im Wege.«
    Des Essarts sprang bereitwillig auf.
    »Darf ich mich in mein Kabinett setzen?«
    »Nein, besser, Sie g-gesellen sich zu Mr. Bosquot. Die Telefonverbindung nach außen ist zwar gestört (was wir vermutlich Lupin zu verdanken haben), doch die interne Leitung funktioniert noch. Wir können also miteinander in Kontakt bleiben.«
    Der Hausherr trat von einem Fuß auf den anderen und zögerte, uns zu verlassen. Er schien etwas sagen zu wollen, sich aber nicht zu trauen. Schließlich nahm er seinen Mut zusammen und sprach aus, was ihn quälte.
    »Meine Herren, ich bitte Sie … Nein, ich verlange, dass Sie mir Ihr Ehrenwort geben: Sollten Sie den Code nicht entschlüsseln, verlassen Sie das Schloss spätestens um halb zwölf. Um meiner armen Eugénie willen!«
    »Mein Ehrenwort«, versprach der Russe.
    Shibata fuhr sich mit dem Daumen kreuzweise über den Bauch, was auf Japanisch vermutlich eine Art Ehrenwort bedeutet.
    Holmes und ich beschränkten uns auf ein kurzes Nicken. Jeder weiß: Das Nicken eines Engländers wiegt ebenso viel wie tausend Schwüre jedes beliebigen Ausländers.
    »Die Kutsche soll vor der Tür stehen bleiben«, sagte Fandorin, der sich nun offenbar endgültig als Anführer aufspielte. »Sie hat fünf Plätze, zwei vorn und drei hinten. G-gelingt es nicht, die Bombe zu finden, steigen wir pünktlich um halb zwölf zusammen mit Doktor Lebrun in die Kutsche und fahren zum Tor hinaus. Der Sack mit dem Geld bleibt auf dem Tisch

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