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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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liegen. Stellt Sie das zufrieden?«
    Des Essarts drehte sich ruckartig um und ging hinaus. Mir schien, der Ärmste wurde von Schluchzen geschüttelt.
    Die Uhr schlug halb, doch das »Brainstorming«, das der Russe angekündigt hatte (ein höchst seltsamer Ausdruck) ließ noch immer auf sich warten.
    Die konkurrierenden Detektive erinnerten an zwei erfahrene Fechter, bevor sie die Klingen kreuzen. Keiner wollte den ersten Schritt machen.
    Holmes erhob sich phlegmatisch, schnürte den Sack auf, nahm ein Bündel Hundertfrancnoten heraus, dann ein zweites. Ich reckte mich ebenfalls – so viel Geld auf einem Haufen bekommt man nicht oft zu sehen.
    Die Scheine waren ordentlich aufeinander gestapelt, wie Mauerziegel. Jedes Bündel wurde von einem Gummi zusammengehalten.
    Nachdem Holmes zerstreut die Banknoten betastet hatte, steckte er sie zurück und schüttelte den Kopf. Ich begriff sehr gut, was er sagen wollte: Was für Irrsinnigkeiten begehen doch die Menschen für diese länglichen Papierstreifen der Notenbank.
    Er zündete sich eine Pfeife an, Fandorin eine Zigarre. Ich fand dieses Gehabe langsam kindisch.
    Irgendwer musste sich endlich erwachsen benehmen.
    »Wäre es nicht Zeit für das Brainstorming?«, fragte ich Fandorin. »Was meinen Sie, was bedeuten diese Zahlen und Buchstaben?«
    Der Japaner warf einen kurzen Blick auf seinen Patron, erhob sich leise und ging hinaus, als wolle er bei der Diskussion nicht zugegen sein. Das fand ich zumindest merkwürdig.
    »Sie bedeuten, dass der V-verbrecher uns auf eine falsche Fährte führen will«, erklärte der Russe seelenruhig. »Ich habe mich gefragt, warum er uns überhaupt diesen Hinweis gibt. Die Antwort erscheint mir offensichtlich. Lupin ging natürlich davon aus, dass Monsieur Des Essarts sich wenn nicht an die Polizei, so doch an einen Privatdetektiv wenden würde. Die Überlegungen des Erpressers sind simpel: Die Zeit des Detektivs ist ohnehin knapp bemessen, und nun v-vergeudet er sie noch mit diesem Unsinn.«
    »Ein hochinteressanter Schluss!« Holmes legte die Pfeife beiseite und deutete Applaus an. Ob er das ernst meinte oder ironisch, wusste ich nicht. »Was schlagen Sie vor, Sir? Können Sie uns Ihren Plan erläutern?«
    »Wenn Sie gestatten. Punkt halb zwölf werden, genau nach Lupins Anweisungen, fünf Männer die Haupttreppe hinuntergehen, in die Kutsche steigen und zum Tor hinausfahren. Miss Eugénie bleibt im Turm, das Geld auf dem Tisch.«
    Ich konnte mich nicht enthalten, spöttisch auszurufen: »Ein ausgezeichneter Plan, wahrhaftig!«
    Holmes fasste nach meinem Handgelenk.
    »Warten Sie, Watson. Mr. Fandorin ist noch nicht fertig.«
    Im Flur ertönten Schritte. Der Japaner kam herein, unterm Arm zwei der Wattepuppen aus dem Keller. Er nieste laut und stellte die Puppen auf den Tisch.
    »Wegfahren werden der P-professor, Mr. Watson und Masa. Und diese beiden Herren aus Watte. Der eine wird meinen Mantel und meinen Zylinder tragen, der andere Hut und Mantel von Mr. Holmes. Wie Sie wissen, ist vor dem Haus eine große Freifläche. Einsehen kann man den Eingang also entweder von der Schlucht her, das sind gut fünfzig Schritt, oder von der anderen Seite des Rasens, das ist noch weiter weg. Zudem ist es im Park dunkel. Lupin und seine Komplizen werden eine größere Gruppe aus dem Haus kommen und in die Kutsche steigen sehen. Wenn die Kutsche an ihnenvorbeifährt, lässt sich anhand der Silhouetten unmöglich erkennen, ob Menschen oder P-puppen darin sitzen.«
    »Und wir beide bleiben hier und überprüfen, wie gut Monsieur Lupin die fernöstlichen Kampftechniken beherrscht!«, fiel Holmes ein und lachte laut. »Ein geistreicher Einfall, ganz nach meinem Geschmack! Ich dachte mir schon, dass Sie etwas Derartiges planen, als Sie das Haus zu einer verkorkten Flasche machten. Die Diele eignet sich ausgezeichnet für einen Hinterhalt.«
    Soll ich etwas gestehen? In diesem Augenblick empfand ich peinliches Unbehagen für meinen großen Freund. Ich fand, er verhielt sich nicht ganz gentlemanlike; sein herablassender Ton wirkte wie »gute Miene zum bösen Spiel«. Schließlich war Mr. Fandorins in der Tat ausgezeichneter Plan ohne uns zustande gekommen.
    Das Telefon läutete.
    Ich saß dem Apparat am nächsten und griff zum Hörer.
    Es war Des Essarts.
    »Doktor Watson? Ich habe Angst!«, stammelte er. »Ich hätte gleich … Aber ich wollte Sie nicht ablenken … Ach, was habe ich bloß angerichtet! Wenn ich ihn nun dem Verderben ausgeliefert habe?«
    Ich

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