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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Glas.
    »Sagen Sie ihnen, Sie hätten es soeben im Gras g-gefunden, vor dem Pavillon«, riet Fandorin und schob das Collier dem Butler hin. »Es sei vermutlich aus der Aktentasche gefallen, als Graf Berkeley durch den Garten lief. Im Übrigen wird man Ihnen keine überflüssigen Fragen stellen – alle werden hocherfreut sein über den Fund. Bis auf den Hauptmann natürlich, der wird denken, er hätte das Halsband nicht fest genug g-geschlossen. Aber es ist schon spät. Miss Palmer ist gewiss erschöpft. Und ich w-würde mich auch gern hinlegen.«

    Am nächsten Morgen, als Miss Palmer und ihr Untermieter frühstückten (etwas später als üblich), erschien der Butler zu einem offiziellen Besuch: In seiner Paradelivree, mit Zweispitz und weißen Handschuhen.
    »Es lief genau so, wie Sie gesagt hatten, Sir. Am lautesten jubelte der Ehrenwerte Tobias. Ich wurde – völlig unverdient – als Retter der Familienehre gepriesen und bekam einen Scheck über tausend Pfund überreicht, den ich nun weitergebe an diejenige … das heißt, an denjenigen …« Hier stockte Mr. Parsley. »Kurz, an diejenigen, denen er gerechterweise zusteht. Es ist ein Inhaberscheck.« Mit einer Verbeugung legte er ein schmales Stück Papier mit Wasserzeichen auf den Tisch.
    »Der Lohn gebührt zweifellos Miss Palmer«, sagte Fandorin mitzusammengezogenen Brauen. »Sie hat das Rätsel gelöst, ich war nur der Vollstrecker.«
    Hier zeigte sich, dass die alte Dame vortrefflich wütend werden konnte.
    »Was für ein Unsinn!«, rief sie errötend. »Sie haben Miss Flame zum Reden gebracht. Auch das mit der Gruft haben Sie selbst erraten. Und was das Collier angeht – Sie hatten es bereits in den Händen, bevor ich meine Hypothese formuliert hatte! Wenn Sie mich durch Wohltätigkeit beleidigen wollen, dann sollen Sie wissen: Ich habe mich mein Leben lang nur auf mich selbst verlassen, und das habe ich nie bereut!«
    Die Opponenten starrten sich an. Es war klar, dass keiner von beiden nachgeben würde.
    »Manchmal sind kluge Menschen schlimmer als Einfaltspinsel«, sagte Mr. Parsley seufzend, »und dann brauchen sie die Hilfe eines Einfaltspinsels. Nun, ich übernehme diese Rolle gern. Teilen Sie sich das Geld, und die Sache ist geritzt. Fünfhundert Pfund dürften Ihnen, Miss Palmer, für ein Haus am Meer genügen. Und auch Sie, Sir, sollten sich nicht so zieren – Sie haben das Geld redlich verdient.«
    »Manchmal sind kluge Menschen schlimmer als Einfaltspinsel, und dann brauchen sie die Hilfe eines Einfaltspinsels«, wiederholte Miss Palmer verwundert. »Was für eine wunderbare Binsenweisheit! Die werde ich mir merken.«
    Auch Fandorin staunte, wenn auch aus einem anderen Grund.
    Fünfhundert Pfund Sterling? Im Staatsdienst hatte er im ganzen Jahr nur wenig mehr erhalten. Ein hübsches Sümmchen, und ohne besondere Mühe verdient. Man konnte also mit Deduktion seinen Lebensunterhalt verdienen?

Traumtal
    Wie angenehm, ein Star zu sein

    Der Lehrer, der Fandorin in der Wissenschaft des Lebens unterwies, pflegte zu sagen: »Der Mensch ist bei seiner Geburt blind und wird bis zum Tode nicht sehend. Aber er hat drei Blindenführer: den Geist, den Verstand und den Körper. Sie zupfen ihn am Ärmel, ziehen ihn jeder in seine Richtung. Der Mensch geht fehl, wenn er einen der drei für den Wichtigsten hält. Er muss wissen, wann er auf wen hört. Nur das bewahrt ihn vor Verirrungen und lässt ihn nicht vom Wege abkommen.«
    Mit dem Geist und dem Verstand hatte Fandorin gelegentlich Probleme, sodass er über die Steine des Weges stolperte und sich Beulen schlug. Dafür wusste er bestens, in welchen Situationen er sich unbedingt dem Körper unterzuordnen hatte, und da gab es dann auch keinen Zweifel. Andernfalls wäre sein Weg schon längst abgebrochen.
    So auch jetzt, als Geist und Verstand schlagartig erstarrten und der Körper laut rief: »Pass auf!« Fandorin gehorchte sofort, ohne jedes Zaudern, und sprang, ohne sich umzudrehen, zur Seite, zumal weit und breit kein Mensch war, der denken konnte, dass der solide wirkende Gentleman plötzlich übergeschnappt wäre …
    Also.
    Fandorin hatte direkt von der Agentur Pinkerton aus ein Telegramm an Masa geschickt (»Mit Nachtzug kommen – Stop – zwei Anzüge – Stop – weiß – Stop – schwarz«) und war zu einem Spaziergang durch das abendliche New York aufgebrochen.
    Er ging aufs Geratewohl, stieß den Spazierstock aufs Pflaster und dachte über den Verbrennungsmotor nach.
    Die Nebenstraßen des

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