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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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jemals vorgekommen war.
    Meine Aktien scheinen kräftig gestiegen zu sein, dachte Fandorin,setzte sich in den für Ehrengäste bestimmten Sessel und nahm eine Zigarre an. Von der Wand glotzte ihn aus goldenem Rahmen das Wachsame Auge an, das Pinkertonsche Logo, darunter stand »Wir schlafen nie«.
    Die Augen des Direktors waren denn auch rot geschwollen. Magenkrank, Schlafstörungen, Gewissensbisse, familiäre Unannehmlichkeiten plus Lungenleiden, lautete die physiognomische Diagnose Fandorins, der den großen Mann zuvor nur aus der Entfernung gesehen hatte.
    Als Grund für die eilige Einladung hatte er auf neue Ränke des Doktor Lind getippt.
    Aber Pinkerton kam auf etwas anderes zu sprechen.
    »Mr. Fendorin, ich weiß, dass der Leiter der Abteilung Zusammenarbeit mit besonders wichtigen Kunden Ihnen einen festen Job angeboten hat, aber Sie haben abgelehnt.«
    Fandorin antwortete respektvoll: »Ich habe früher in einer großen … Organisation gearbeitet.« Er fand nicht gleich das passende Wort. »Aber jetzt weiß ich g-genau, dass mir ein Leben als ›freier Detektiv‹ mehr zusagt. Im Übrigen liegt mein Hauptinteresse weniger bei der Kriminalistik als beim Ingenieurwesen.«
    Der Direktor warf einen Blick auf ein vor ihm liegendes Blatt Papier.
    »Man hat mir eine Information bereitgelegt. Sie waren Brigadegeneral bei der russischen Polizei und haben ein Jahresgehalt bezogen, das in Dollars umgerechnet so aussieht.«
    Er schrieb eine Zahl mit drei Nullen auf das Blatt und zeigte sie Fandorin. Sie stimmte.
    »Erstens biete ich Ihnen so viel.« Der Bleistift fügte rechts eine weitere Null hinzu. »Zweitens den Job des Mannes, der es nicht verstanden hat, Sie rechtzeitig zu engagieren. Das heißt, Sie werden Chef einer der führenden Abteilungen – so viel wie Divisionsgeneral.«
    »Ich bedanke mich für das schmeichelhafte Angebot, aber nein«, sagte Fandorin mit einer Verbeugung. »Die Freiheit ist kostbarer.«
    Pinkerton verschwendete keine Zeit mit Überredungsversuchen, er sah den Besucher nur prüfend an, seufzte und zog ein weiteres Blatt Papier zu sich heran, das ein Monogramm in Form eines fünfzackigen Sterns zeigte.
    »Schade. Dann gebe ich Ihnen einfach diesen Brief. Handeln Sie, wie Sie es für notwendig halten.«
    Mit sichtlichem Bedauern reichte er Fandorin das Blatt.
    Der Brief war sehr kurz. Fandorin überflog die Zeilen, verweilte auf der schwungvollen Unterschrift und sah seinen Gastgeber fragend an.
    »Hier steht‚ in einer ›heiklen und geheimnisvollen Angelegenheit‹. Was ist gemeint?«
    »Keine Ahnung. Aber das Kuvert enthält ein Erste-Klasse-Billett und einen Scheck auf Ihren Namen.« Mr. Pinkerton reichte ihm zwei weitere Papiere. »Ich finde, kein übler Betrag, für den Sie lediglich komfortabel nach Cheyenne fahren und den Gentleman anhören müssen. Ich sage nur so viel, dass Colonel Maurice Star einer der reichsten Bergbauunternehmer des Westens ist. Sie können eine beliebig hohe Vergütung fordern. Eine be-lie-big ho-he. Verstehen Sie?«
    »Warum will er den Fall ausgerechnet m-mir übertragen und nicht Ihrer Agentur?«
    »Das möchte ich auch gern wissen«, versetzte der Direktor mit säuerlicher Miene. »Das Aufsehen in der Presse ist ja ganz schön, aber über Sie wird erst seit einem Monat geschrieben, während wir schon vierzig Jahre einen Haufen Geld für Reklame ausgeben.«
    Plötzlich blitzte in seinen Augen ein Fünkchen auf.
    »Mr. Fendorin, ich weiß um Ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten, aber sagen Sie, waren Sie schon mal in unserm GroßenWesten? Dort ist alles anders als hier. Als Städter kommt man ohne die Hilfe eines örtlichen Spezialisten nicht zurecht. Wir haben dort auch unsere Vertreter, die den Westen bestens kennen. Die würden Ihnen gerne helfen …«
    »Sir, ich habe schon im Westen und im Osten und in allen sonstigen Teilen der Welt ermittelt«, versicherte ihm Fandorin.
    »Dennoch, hier haben Sie einen Empfehlungsbrief. Wenn Sie Hilfe brauchen oder einen Spezialisten konsultieren möchten, können Sie sich gern an eine unserer Filialen wenden. Man wird Ihnen als meinem Bekannten einen günstigen Preis machen.«
    Mr. Pinkertons zweiter Versuch zu lächeln gelang ein wenig besser, und er begleitete seinen Gast zur Tür.
    Es war schon angenehm, ein Star zu sein.

    Der weiße Anzug

    Bis zu seiner Ankunft in Cheyenne wäre Fandorin jede Wette eingegangen, dass es über Land kein luxuriöseres Verkehrsmittel gebe als den Pullmanwagen. Zuvorkommende und

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