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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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einem Felsvorsprung.
    »V-Verdammt! Daneben!«
    Wieder bellte der Karabiner.
    Ein weiterer Reiter in der Staubwolke stürzte mit seinem Pferd und versteckte sich, so flink, dass er wohl nicht mal verwundet war.
    Die Übrigen zerstreuten sich und verschwanden aus dem Blickfeld, um sich vor den Kugeln zu schützen.
    »Sie haben ja wieder nur das Pferd getroffen!«, schalt Fandorin den Schützen.
    »Ich schieß doch nicht auf Menschen«, antwortete der Neger. »Vielleicht erschieße ich einen, und er war ein anständiger Kerl. Oder ich mach ihn zum Krüppel, und er hat Familie. Außerdem, Sie reisen wieder ab, und ich muss hierbleiben.« Er drückte noch zweimal ab, jetzt schon ohne zu zielen. »Macht nichts. Die lassen sich hier nicht mehr blicken, wollen schließlich auch leben.« Und wirklich. Sie ballerten zwar wie verrückt, doch die Kugeln gingen nach oben. Die Banditen schienen nicht zu wissen, von wo die Schüsse gekommen waren – das Echo hatte sie verwirrt.
    »Wir können allmählich weitergehen.«
    Geduckt glitt er hinter dem Stein hervor. Fandorin folgte ihm.
    Hinter der nächsten Biegung konnten sie sich aufrichten. Das Schießen wurde nicht weniger, war aber nicht mehr so ohrenbetäubend.
    »Na, beruhigt?«, fragte Reid, der sich überraschend scharfsinnig gezeigt hatte. Fandorin begann erst jetzt zu glauben, dass er das Traumtal lebend verlassen würde. »Dann erzählen Sie, was dort los war.«
    Nachdem Reid alles erfahren hatte, schluckte er.
    »Zeigen Sie mir doch mal das Säckchen, das Sie mitgenommen haben«, sagte er mit seltsam dumpfer Stimme.
    Er schüttele kleine gelbgraue Klümpchen und Körnchen in seine Hand, leckte an einem, probierte mit der Zunge. Sein Gesicht zerfloss in Falten.
    »Ist es das, was ich v-vermute?«
    »Gold!«, hauchte Reid. »Für ein Steinchen wie das hier kann man einen ganzen Monat in den besten Etablissements von Crooktown trinken und prassen! Wie viele Kisten sind dort?«
    Fandorin überlegte.
    »An die dreißig«, sagte er. »So groß ungefähr.«
    »Und die ganze Wand ist voller Einsprengsel? Vom Boden bis zur Decke? Und der Stamm wird nach unten hin breiter?«
    »Ja.«
    »Und wie viel taubes Gestein?«
    »Na, vielleicht ein Dutzend Haufen, die mir bis zum G-Gürtel gehen.«
    Reid rechnete, klopfte sich auf den Oberschenkel.
    »Unwahrscheinlich! Solchen Feingehalt gab’s nicht mal am Eagle Creek, wo ich einmal an einem Tag zweieinhalb Kilo rausgeholt hab!« Er spuckte auf eines der Nuggets, rieb mit dem Finger. »Und diese Reinheit! Ich will verdammt sein, wenn das nicht mindestens neunhundertfünfziger Gold ist! Davon verstehe ich was!«

    Ziehen wir Bilanz

    »Ihr Schürfer hat mit seiner Spucke eine ziemlich genaue Analyse erstellt«, sagte der Experte mit zurückhaltendem Lächeln und kam nun zum Wesentlichen. »Die Laboruntersuchung der Proben hat ergeben, dass es sich um neunhundertneunundfünfziger Gold handelt, also Gold ›mit sehr hohem Feingehalt‹. Die Nuggets wurden einer Mineralader entnommen und stimmen in ihrer chemischen Zusammensetzung mit dem Golderz überein, das in den Bergwerken von Owen in den Black Hills gewonnen wurde.«
    »Das waren die ergiebigsten Bergwerke im ganzen Mittleren Westen – bevor sie erschöpft waren!«, rief Colonel Star enthusiastisch. »Aber um Himmels willen, Doktor Fobb, sprechen Sie weiter!«
    Der Experte rückte die Brille zurecht und blickte in sein Notizbuch.
    »Wie Sie wissen, ist das Gold in den Gruben von Owen nicht versiegt. Es war nur so, dass ab tausend Fuß Tiefe die Produktionnicht mehr profitabel war, darum wurde der Abbau eingestellt. Höchstwahrscheinlich entstammen die untersuchten Erzproben einer anderen Zunge derselben Ader, die an anderer Stelle zutage tritt.«
    Doktor Fobb, der als Fachmann für Erzuntersuchungen bei der Star Company angestellt war, räusperte sich und nickte zu Fandorin hin.
    »Wenn wir den Aussagen des Augenzeugen glauben wollen«, sagte er mit besonderem Nachdruck, »ist die Ader mindestens acht bis zehn Fuß mächtig und liegt nicht tiefer als hundert Fuß. Das bedeutet, man kann ein paar hundert Fuß in die Tiefe gehen und doch eine hohe Rentabilität erzielen. Nach äußerst vorsichtiger Schätzung könnte die Fundstätte in etwa zehn Tonnen Metall ergeben …«
    Colonel Star stieß einen jungenhaften Pfiff aus, und der Geologe beeilte sich hinzuzufügen: »Aber eine genauere Prognose ist erst möglich, wenn ich Proben nehmen und vor Ort Vermessungen machen kann. Mr. Star, Sie

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