Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
›Ich habe meinen Preis genannt: hunderttausend.‹
    Und da habe ich zugegebenermaßen einen Bock geschossen. Ichhätte schreien sollen: ›Wo dort Banditen und Gespenster ihr Unwesen treiben? Dafür hunderttausend? Hier hast du fünfhundert, sag danke schön.‹ Dann hätten wir uns auf sechs- oder siebentausend geeinigt. Stattdessen sagte ich dummerweise: ›Okay. Also hunderttausend.‹ Sie werden’s nicht glauben, der alte Spitzbube war erst mal still und hat mit den Augen geklappert. Dann hat er gesagt: ›Ich hab’s mir anders überlegt. Unter vierhunderttausend geb ich’s nicht her.‹« Der Colonel lachte schallend. »Frecher Hund, was?«
    »Ich hätte nicht gedacht, dass es ihm dermaßen leid tut, sich von seiner Tochter zu trennen«, bemerkte Fandorin darauf.
    Der Colonel überhörte diese Worte.
    »Na ja, wir haben uns per Handschlag auf dreihunderttausend geeinigt«, schloss er aufgekratzt. »Heute Nachmittag um drei treffen wir uns beim Notar in Crooktown. Ich wollte erst noch das Schlussgutachten abwarten.«
    Hunderttausend waren ihm nicht genug für das Glück seiner Tochter, doch dreihunderttausend, das ist schon was anderes, dachte Fandorin. Nun wird sich die rothaarige Ashlean ihren Traum erfüllen und ihren Ted heiraten, die Klapperschlange. Ach, die Ärmste.
    Der Colonel konnte keine Sekunde still sitzen. Er zog die Uhr, ließ den Deckel aufschnappen.
    »Ich muss wohl los. Hauptsache, Callaghan bekommt nicht Wind von der Sache. Mit Ihrem Neger habe ich gesprochen. Habe dem Spitzbuben fünftausend versprochen, wenn er den Mund hält. Auszuzahlen nach Geschäftsabschluss.«
    Doch dann stockte er und sah Fandorin mit einer Miene an, die dem sehr missfiel.
    »Hm, Erast Petrowitsch …« Colonel Star errötete leicht und hatte es auf einmal sehr eilig. »Wir haben noch nicht über Ihre Vergütung gesprochen. Der Vorschuss war tausend Dollar. Für denAbschluss der Ermittlungen erhalten Sie viertausend.« Er zog einen ausgefüllten Scheck aus der Tasche. »Und noch fünfhundert für die Behandlung Ihres Chinesen. Übrigens, wie geht es ihm?«
    »D-Danke. Meinem
Japaner
geht es schon besser.«
    Fandorin sah den Colonel fragend an, er spürte, dass der gleich mit dem Wichtigsten herausrücken würde.
    »Sie wundern sich über die Bescheidenheit der Vergütung trotz Ihrer Entdeckungen?« Colonel Star lächelte verstehend und war nicht mehr verlegen. »Für das Bergwerk erhalten Sie eine Sonderprämie. Zwanzigtausend!« Er hob den Finger, um die Höhe der Summe zu unterstreichen. »Sofort nach Unterzeichnung des Vertrags mit Callaghan. Handschlag?«
    Er drückte Fandorin flüchtig die Hand.
    »So, ich muss los. Das Hotel bleibt zu Ihrer Verfügung. Beliebig lange. Ihr Diener kann sich in aller Ruhe kurieren. Wenn notwendig, schicke ich meinen Leibarzt, dazu Medikamente …«
    »Nicht nötig, bei Masa heilt alles von allein, wie bei einem H-Hund. Ich kenne ihn. Er schläft zwei Tage und Nächte, isst dann anständig und ist wieder wie neu.«
    »Ausgezeichnet, ausgezeichnet!«, tönte es schon aus dem Korridor.
    Unten klappte die Tür. Jungenhaft flink lief der Colonel aus dem Haus, hinein in seine Luxusequipage, auf den hinteren Wagentritt sprangen seine beiden Diener mit umgehängter Winchester, und die Kutsche rollte in einer Staubwolke davon, begleitet von den begeisterten Blicken der Einwohner von Splitstone.

    Allein geblieben, holte Fandorin eine Zigarre hervor, hielt sie ein Weilchen in der Hand und legte sie wieder weg. Das Tabakrauchen ist zwar eine schädliche Angewohnheit, aber auch eine Meditationsübung und verlangt eine besondere Stimmung, im Idealfall völligen inneren Frieden.
    Im Hotel war es still. Masa schlief unter Aufsicht des städtischen Arztes. Der Geologiefachmann schlief wohl auch den Schlaf des Gerechten nach den Anstrengungen der Nacht. Aber Fandorin war scheußlich zumute.
    Es berührte ihn unangenehm, in welche Aufregung das Gold den vernünftigen Egoisten versetzte. Erstens.
    Der Hinweis, dass die zwanzigtausend Dollar Sonderprämie erst nach der Vertragsunterzeichnung gezahlt würden, hatte ihn gekränkt. Sollte er nicht in Versuchung geraten, das Geheimnis an Callaghan auszuplaudern? Damit stellte der Colonel ihn eigentlich auf eine Stufe mit dem »Spitzbuben« Washington Reid, nur dass er für das Schweigen mehr zu zahlen bereit war. Zweitens.
    Und endlich, drittens, das Bedrückendste. War nicht er, Fandorin, nunmehr an einem Betrug beteiligt? Cork Callaghan hatte ja

Weitere Kostenlose Bücher