Das Halsband des Leoparden
leid, Herr, aber ich habe kein Gefühl mehr im Bein. Bitte erlauben Sie mir, mich auf Ihre Schulter zu stützen.«
Fandorin kehrte um und legte Masa den Arm um die Hüften. Halb humpelnd, halb hüpfend drangen sie in die dunkle Tiefe des Bergwerks vor.
Ein kurzer, matt beleuchteter Korridor führte zu einem Schacht, der senkrecht nach unten ging, über eine stabile hölzerne Treppe aus Querbalken. Parallel zu ihr liefen zwei Seile über eine Scheibe. Ein Aufzug aus früheren Zeiten?
Masa heiterte sich auf.
»Sehr gut, Herr. Jetzt kann ich allein weiter.«
Er hielt sich an den Seilen fest und hangelte sich geschickt wieein Affe in die Tiefe. Fandorin, der sich wie gewohnt mit den Füßen bewegte, blieb zurück.
Die Treppe endete auf einer Bretterplattform, unter der ein weiterer Schacht begann.
Dunkel war es nicht. An der Wand des Schachts waren in regelmäßigen Abständen Öllampen aufgehängt, die ein trübes, doch gleichmäßiges Licht spendeten.
Sie stiegen noch ein paar Etagen tiefer, dann blieb Fandorin stehen und horchte auf die Laute von oben. Nach dem hallenden Echo zu urteilen, waren die Banditen bereits in die obere Höhle eingedrungen.
»Herr, kommen Sie schnell runter«, rief Masa von unten. »Hier ist es so schön!«
Wie meinte er das? Fandorin warf einen Blick durch die Luke, sah aber nur die abwärts führenden Stufen.
Er setzte den Abstieg fort und betrat nach weiteren drei Etagen endlich den Steinfußboden.
Masa stand auf einem Bein und leuchtete mit einer Lampe, die er vom Haken genommen hatte, nach allen Seiten.
»Schauen Sie nur«, rief er immer wieder.
Eine ziemlich geräumige Kammer, die, nach den frischen Spuren von Spitzhacken zu urteilen, erst kürzlich in den Felsen geschlagen worden war. Aber Fandorins Aufmerksamkeit erregten nicht die Schrammen in der Felswand und nicht die Haufen abgeschlagenen Gesteins.
Auf einer der Quarzwände funkelte in voller Höhe ein sonderbares strauchähnliches Muster, als hätte jemand dort aus Metallfolie einen unbrennbaren Busch ausgebreitet.
Längs der anderen Wände waren Kisten gestapelt, hohe und flache.
Masa hob den Deckel einer flachen Kiste.
»Dynamit!«, rief er freudig. »Viel!«
Er steckte ein paar Stangen ein und vergaß auch nicht die Zündschnüre.
»Das ist gut!«, sagte er zufrieden. »Das wird uns zupasskommen.«
Fandorin beugte sich über eine der hohen Kisten, die nicht zugenagelt war. Sie enthielt nicht Dynamit, sondern Leinwandsäckchen, die erstaunlich schwer waren.
Auf der Treppe oben polterte es bedrohlich, viele Leute kamen heruntergestiegen.
»Wie viele Patronen haben Sie noch in Ihrem kleinen Revolver?«, fragte Masa.
Fandorin kippte die Trommel aus und zählte.
»Nur drei.«
»Das ist zu wenig. Ich habe gar keine Waffe. Kämpfen kann ich nur, wenn einer nahe an mich herankommt. Lassen Sie uns rasch den Ausgang suchen, wenn es einen gibt.«
Fandorin holte die Taschenlampe hervor, drehte sich auf der Stelle und leuchtete nach allen Seiten. In der Mitte war eine flache Grube in den Stein geschlagen. An drei Wänden häuften sich Quarzbrocken. Die vierte Wand glitzerte wieder magisch, aber für Schönheit hatten sie jetzt keinen Sinn.
»Noch einmal in die Ecke dort leuchten!« sagte der Japaner und nahm seinen Herrn beim Ellbogen.
Fandorin leuchtete in die Ecke und erblickte, was er das erste Mal übersehen hatte: hinter dem Gesteinshaufen ein schwarzes Rechteck.
Ein Loch? Ein Gang?
So oder anders, sie mussten es überprüfen.
Einander festhaltend, humpelten die beiden Hilfsmarshals in die Ecke. Ein Leinwandsäckchen hatte Fandorin eingesteckt, um es später zu untersuchen.
Der schmale Gang war dunkel, da half auch die Taschenlampenicht, in dem Lichtstrahl tanzten nur Stäubchen. Aber wozu war der Gang geschlagen worden?
Fandorin lud sich Masa auf den Rücken – so kamen sie schneller vorwärts. Der Japaner litt sehr darunter, dass er seinem Herrn Mühe machte, und bat immer wieder um Verzeihung für seine Unachtsamkeit. Wie blamabel für einen erfahrenen Mann von vierunddreißig, sein Bein einem Stück Blei auszusetzen! Unbegreiflich und unverzeihbar! Ein Mann wie Fandorin-dono war genötigt, seinen nichtsnutzigen Vasallen auf den Schultern zu schleppen. Lieber sollte er ihn zurücklassen, damit er sich mitsamt den gemeinen amerikanischen Räubern in die Luft sprenge!
»Halt den Mund«, knurrte Fandorin. »Mir reicht’s.«
Er sog mit der Nase die Luft ein. Zugluft, wahrhaftig, Zugluft!
Nach
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