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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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weiteren hundert Schritten schimmerte vorn schwaches Licht.
    Fandorin hielt den Atem an.
    »Von hier haben sie also den A-Ausfall gemacht. Her mit dem Dynamit.«
    Sie legten die Stangen mit der angebrannten Zündschnur in den Tunnel und humpelten eilig weiter.
    Die Explosion war nicht von schlechten Eltern, aber sie reichte nicht aus. Der Gang stürzte nicht völlig ein, füllte sich nur mit abgesprengtem Gestein.
    Immerhin würden die Verfolger eine Weile zu tun haben, den Gang frei zu räumen. Inzwischen mussten sie die Stelle erreichen, wo sie die Pferde zurückgelassen hatten.

    Da, wo das Heer der Rechtsordnung so schmählich geschlagen worden war, lagen Knüppel und Celestianerhüte. Die Pferde waren nicht mehr auf dem Weg. Sicherlich hatte die Schießerei sie vertrieben, oder sie waren von der allgemeinen Panik angesteckt worden.
    Also würden die beiden Männer auf ihren vier, das heißt, drei Beinen ins Tal hinuntersteigen müssen.
    Obwohl die Zeit drängte, mussten sie eine Pause machen, um den Druckverband abzunehmen und den Blutkreislauf in Masas verwundetem Bein wiederherzustellen.
    Masa biss die Zähne zusammen und gab keinen Laut von sich, als das Gefühl zurückkehrte. Der Knochen schien unversehrt zu sein, aber die Wunde gefiel Fandorin nicht, denn sobald er die Abbindung lockerte, strömte das Blut so stark wie zuvor.
    Es half nichts, er musste wieder fester abbinden. Sie begannen den Abstieg.
    Anfangs kamen sie gut voran, denn Masa konnte allein gehen, doch dann wurde sein Bein erneut taub, und Fandorin schleppte ihn.
    Sie mussten das russische Dorf erreichen, ehe die Banditen sie einholten.
    Die würden kaum allesamt im Tunnel bleiben, um die Steine wegzuräumen, zumal mehr als zwei dort nicht arbeiten konnten. Die Übrigen würden eilig nach oben zurückkehren, um im Korral ihre Pferde zu besteigen.
    Auf keinen Fall würden sie die beiden Flüchtlinge aus dem Tal herauslassen, denn die kannten jetzt das Geheimnis des Bergwerks.
    Sie würden der Spur folgen, darauf verstanden sie sich. Und im Herstal steckten nur noch drei Patronen.
    Schweißüberströmt trug Fandorin seinen Gehilfen zum Fuß des Berges. Nun mussten sie noch die Wiese und das Flüsschen hinter sich bringen, dann war es bis zum »Lichtstrahl« nur noch ein Katzensprung.
    Dort würde Masa Hilfe finden. Dort waren Pferde.
    Aber was nützen uns Pferde?, fragte sich Fandorin.
    Sollten sie wegreiten und die Landsleute den Schwarzen Tüchern überlassen? Ausgeschlossen. Doch womit sie schützen, diese Idioten, die keinerlei Waffen besaßen?
    Das Ziel des Gewaltmarschs durch die Berge, das Rettung verheißen hatte, verblasste, obwohl es noch gar nicht erreicht war.

    In der Gemeinschaft »Lichtstrahl« erwarteten sie, wie die Amerikaner gern sagen, zwei Neuigkeiten: eine gute und eine schlechte.
    Die gute bestand darin, dass Fandorin der Verantwortung für den Schutz der waffenlosen Menschen enthoben war. Es war niemand mehr da, der des Schutzes bedurfte. Wie zuvor die Celestianer waren die Siedler bis auf den Letzten aus der Siedlung geflohen und hatten ihre Habe zurückgelassen. Im Pferch blökten Schafe, Hühner spektakelten hysterisch, und ein Hahn krähte überlaut zur Unzeit. Hunde bellten freilich nicht, man hatte sie mitgenommen. Die Katzen auch.
    Das war natürlich rührend, aber die Siedler hatten auch die Pferde weggeführt, darunter Fandorins Fuchsstute und Masas Pony – das war die schlechte Neuigkeit. Gewiss: sie hatten geglaubt, Fandorin und sein Gehilfe wären tot oder zumindest gefangen.
    Das ist wohl das Ende, dachte Fandorin. Bis zum Ausgang aus dem Tal können wir unmöglich humpeln. Und selbst wenn wir’s schaffen, holen sie uns im Flaschenhals ein. Und dann …
    Aber ein richtiger Mann überlässt sich in keiner Situation der Verzweiflung, denn Handeln ist niemals sinnlos.
    »Herr, ich habe einen guten Vorschlag«, sagte Masa. »Sie lassen mir Ihren kleinen Revolver hier und fliehen. Warum sollen zwei sterben, wenn einer sich retten kann? Sie kommen mit Waffen wieder, vielleicht auch mit Verstärkung. Dann können Sie mich rächen, und das wird mir im Jenseits gefallen.«
    »Aber mir missfällt es im Diesseits.«
    Im Hof lag ein umgekippter Schubkarren. Immerhin ein Transportmittel.
    Fandorin wuchtete den protestierenden Diener in den Karren und schob ihn, zunächst im Schritt, dann immer schneller.
    »In diesem Karren haben sie Dung gefahren«, klagte der Diener. »Herr, ich möchte nicht vollgeschmiert mit

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