Das Halsband des Leoparden
keine Ahnung, wie wertvoll das Dream Valley wirklich war. Gegen die mutmaßlichen zehn Tonnen Gold waren dreihunderttausend Dollar lächerlich. Und rief man sich in Erinnerung, dass das Dream Valley die Mitgift für Ashlean war, so ergab sich, dass das eigentliche Opfer des zweifelhaften Geschäfts das Mädchen sein würde. Jetzt schwebte sie zwar noch im siebenten Himmel des Glücks, aber bald würde sie die Wahrheit erfahren, das war unausweichlich. Was würde Miss Callaghan dann für eine Meinung von dem russischen Gentleman haben?
Und vor allem, was für eine Meinung würde er selbst von sich haben?
Fandorin beugte sich über den Schreibtisch, tunkte die Stahlfeder ins Tintenfass und schrieb schwungvoll ein paar kurze englische Sätze: Er bedauere, doch die Teilnahme an geschäftlichen Operationen zweifelhaften Charakters sei nicht Bestandteil seines Vertrags, daher verzichte er auf die zwanzigtausend und betrachte sich als frei in seinen Handlungen.
Ob er die bereits erhaltenen viertausend zurückgeben sollte?
Aber wieso eigentlich? Er hatte seine Aufgabe erfüllt, und sie war nicht einfach gewesen.
Er schickte die Notiz telegraphisch direkt an das Crooktowner Notariatsbüro. Mit dem Zusatz: »Für Mr. Maurice Star. Dringend. Persönlich«.
Das heißt, er handelte wie ein richtiger Mann. Konfuzius wäre mit ihm zufrieden.
Das riskanteste Abenteuer
des Erast Petrowitsch Fandorin
Die Zwei-Halbmonde-Ranch war fast menschenleer. Im großen Korral nahe beim Haupthaus waren nur drei Cowboys zu sehen, die mit einem am Zaun hängenden Geschirr befasst waren. Dem näher reitenden Mann im schwarzen Anzug blickten sie unter schirmender Hand hervor entgegen, da hinter ihm die Sonne strahlte, erkannten ihn und tuschelten miteinander. Sie blickten nicht eben freundlich, aber auch nicht herausfordernd. Der eine war sehr jung, die anderen waren etwas älter.
Fandorin ritt auf sie zu und grüßte. Sie antworteten nicht, wandten sich obendrein ab.
Da er wusste, dass eine leise Stimme auf schlecht erzogene Menschen stärker wirkte als Geschrei, grüßte er nochmals, kaum hörbar. Und lehnte sich erwartungsvoll im Sattel zurück.
Diesmal antworteten die beiden Älteren. Sogar höflich.
»Ihnen auch, Sir.«
Der Jüngere nickte schweigend und zupfte das rote Halstuch zurecht.
Fandorin hatte nicht vor, den Kerlen Anstand beizubringen, er wollte nur fragen, ob Mr. Callaghan oder seine Tochter zu Hause seien, aber dessen bedurfte es nicht.
Es ertönte ein lautes freudiges Wiehern, und vom hinteren Endedes Korrals kam, das fein gezeichnete Maul erhoben, die schöne Rappstute Selma auf den Besucher zugesprengt. Die Nüstern gebläht, berührte sie Fandorins Schulter zärtlich mit den Zähnen, und er streichelte ihr die Blesse.
Nun, zumindest Ashlean ist zu Hause, dachte er, und da erhob die Perle der Prärie auch schon ihre Stimme.
»Mr. Fendorin, Sie?«, rief sie.
Sie stand am offenen Fenster und blickte ihn mit großen Augen an. Ihr Gesicht hatte sich gerötet, ihre Brust wogte.
Was hatte sie denn?
Er tippte an die Krempe seines Huts, denn hier im Westen pflegte man bei der Begrüßung einer Dame nicht den Hut abzunehmen. Es geriet ihm recht elegant.
»Wie Sie sehen, sind Sie hier willkommen«, sagte Miss Callaghan und nickte nach einer Pause zu Selma hin. Und lachte über ihren so nett zweideutigen Scherz. »Treten Sie ein, treten Sie ein! Wir haben viel von Ihnen gesprochen.«
Er stieg die Vortreppe hinauf.
Ashlean empfing ihn in der Diele und geleitete ihn ins Nebenzimmer, den Salon, von dem eine Tür, soweit er sich erinnerte, ins Esszimmer führte. Die beiden Flügel standen ein wenig offen und klapperten sacht von einem leichten, angenehmen Zugwind; vor den besonnten Fenstern flatterten weiße Vorhänge.
Das Mädchen war irgendwie verwirrt, was so gar nicht zu ihrem Charakter passte. Was mochten ihr Erröten, ihre flatternden Wimpern, ihr beschleunigter Atem zu bedeuten haben? Fandorin verscheuchte entschlossen die für sein Selbstbewusstsein schmeichelhafteste Vermutung.
Und er tat recht daran.
Für Miss Callaghans Erregung fand sich sogleich die Erklärung.
»O Gott, ein richtiges Wunder ist geschehen!«, rief sie und fasste den Besucher an der Hand. »Haben Sie schon gehört? Der Colonelzahlt Papa für mein Tal dreihunderttausend! DREIHUNDERTTAUSEND! Jetzt bin ich die reichste Braut in ganz Wyoming! Ich bin meine eigene Herrin! In einem Monat werde ich volljährig und kann heiraten, wen ich
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