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Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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will!«
    »G-Gratuliere!« Fandorin setzte sich aufs Fensterbrett, näher zur frischen Brise. »Beim letzten Mal waren viele Leute auf Ihrer Ranch. Heute ist es hier so leer.«
    »Die Jungs haben eine Herde zur Eisenbahn getrieben, und Papa ist eben nach Crooktown gefahren, zum Notar. Um drei wird das Geschäft abgeschlossen, und er will vorher noch zur Bank, damit sie ihm ein Schließfach bereithalten. Colonel Star hat versprochen, die Hälfte der Summe in bar zu bezahlen.«
    Edle Taten verlangen eine gewisse Theatralik und Formvollendung. Darum versagte sich Fandorin nicht das Vergnügen, die Dramatik seiner Mitteilung noch zu verstärken.
    »Mein Fräulein, ich bringe Ihnen wichtige Neuigkeiten«, begann er mit finsterer Miene, dann fiel ihm im rechten Moment der amerikanische Scherz ein. »Eine schlechte und eine gute. Welche zuerst?«
    Sie sah ihn erschrocken an – wie es sich gehörte.
    »Lieber die schlechte.«
    »Sie werden nicht die reichste Braut in ganz Wyoming.« Er zog die Brauen zusammen und verbiss mit aller Kraft ein Lächeln.
    »Ach!«, rief Miss Callaghan.
    »Sie werden die reichste Braut in ganz Amerika.«
    »Oh!«, rief Miss Callaghan.
    Nun lachte Fandorin frei heraus. Der Scherz war anspruchslos, aber er beeindruckte das Auditorium.
    »Ihr Vater muss ein Telegramm bekommen«, schloss Fandorin. »Wenn Mr. Star das Dream Valley kaufen will, soll er einen richtigen Preis zahlen. Ich bin kein Fachmann, aber es wird wohl um mehrere Millionen gehen.«
    Im Esszimmer klirrte etwas, und Miss Callaghan legte rasch den Finger an den Mund.
    Sie eilte zu der angelehnten Tür.
    »Sally!«, rief sie ärgerlich. »Geh jetzt! Abräumen kannst du später!«
    Sie schloss die Tür und drehte sich um.
    Es war reizvoll, das eigensinnige, selbstsichere Mädchen so verwirrt zu sehen.
    »Ich … ich bin nicht sicher, ob ich richtig verstanden habe«, lispelte sie. »Wie viel, sagten Sie?
Zehn Tonnen

    »Das ist nur die erste und wohl sehr vorsichtige Schätzung …«
    Ein Luftzug wehte Fandorin kitzelnd die Gardine ins Gesicht. Er zog das leichte Gewebe beiseite, warf einen zerstreuten Blick nach draußen und stockte mitten im Satz.
    Die drei Cowboys standen am Zaun des Korrals und unterhielten sich.
    »Verdammt!«, murmelte Fandorin. »Wie konnte ich …«
    »Was?«, fragte sie verwundert. »Was haben Sie gesagt?«
    »Entschuldigen Sie, bin gleich wieder da.«
    Er schwang die Beine übers Fensterbrett und sprang hinaus.

    »Hey, Boy!«, sprach er amerikanisch familiär den Jungen mit dem roten Tuch um den Hals an. »Warum hast du mich vorhin nicht gegrüßt?«
    Die beiden anderen traten vorausschauend zur Seite. Der Junge wurde blass und klapperte mit den blauen Augen. Er öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.
    »Los, sag irgendwas. Ich will deine Stimme h-hören.«
    Der Blauäugige wich zurück, lehnte den Rücken an den Zaun.
    »Hey, Sir.«, versuchte einer der Cowboys, ihn in Schutz zu nehmen. »Was wollen Sie von Billy? Er hat doch nichts …«
    Fandorin hörte nicht hin, er riss dem Blauäugigen das Tuch vom Hals. Und richtig! Unterhalb des linken Ohrs war ein länglicherblauroter Bluterguss zu sehen, die Spur von Fandorins Handkantenschlag, der
yumesasou
heißt, »Einladung zum Schlaf«.
    »Grüß dich, Junge.« Fandorin klopfte dem verstummten Billy auf die Schulter. »Ich habe dich nicht umsonst am Leben gelassen. Ich kuck, die Augen kenn ich doch. Du sagst nichts und hast dir was um den Hals gebunden. Na, r-reden wir?«
    Ohne die Rappstute wäre Fandorin kaum auf den Gedanken gekommen, sich umzudrehen, denn die Begegnung mit dem Cowboy nahm sein Interesse gefangen. Aber Selma, die das Maul über das Gatter nach ihm streckte, bäumte sich plötzlich auf, wieherte unruhig und sprang nervös zur Seite, sodass Fandorin unwillkürlich den Kopf wandte. Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung hinter sich wahr.
    Er drehte sich um.
    Und erstarrte.
    Auf der Vortreppe standen Schulter an Schulter drei Männer: Ted Rattler, Washington Reid und (unglaublich) Melvin Scott, der für einen Toten gar nicht so schlecht aussah.
    Ted hielt die Hand am Halfter, der Pink hatte die Hände auf seinen beiden Waffen links und rechts. Reid rieb sich nervös die Hände und sah etwas verlegen aus. Aus dem Fenster guckte Ashlean Callaghan, ihre grünen Augen glühten hasserfüllt, und diese Metamorphose war am schlimmsten.
    Die drei Cowboys rannten möglichst weit weg von Fandorin, sie wollten keine Kugel einfangen. Selma

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