Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Halsband des Leoparden

Das Halsband des Leoparden

Titel: Das Halsband des Leoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
Vom Netzwerk:
worden. Er würde den Plan der »Banditen« glänzend enthüllt und seinem Auftraggeber die Entdeckung der Goldader gemeldet haben, und Star würde für das Tal statt der zehntausend viel mehr geboten haben.
    Aber die Schlauköpfe hatten eines nicht bedacht: Die Kommune »Lichtstrahl« wollte keinesfalls einen Amerikaner in ihre Nähe lassen. Und nun schrieben die Zeitungen auch noch von einem genialen russischen Detektiv. Als der Colonel diesen Fremdling für die Ermittlung anzuheuern beschloss, geriet die ganze Intrige in Gefahr.
    Aber die Einladung war über die Kanäle der Agentur Pinkerton abgeschickt worden, und die Callaghans erfuhren davon, wahrscheinlich durch Melvin Scott, der im New Yorker Office Freunde hatte.
    Der Ruhm des Bostoner Fahnders, von den Journalisten aufgebauscht, erschreckte die Verschwörer dermaßen, dass sie sich entschlossen, den gefährlichen Mann schon vor Beginn der Ermittlungen auszuschalten. Zu diesem Zweck wurde Scott nach New York abkommandiert, der dort versuchte, Fandorin durch einen Schuss in den Rücken zu töten, dabei aber seine Uhr einbüßte. Deshalb war der Pink so wütend geworden, als ein Spieler im Saloon ihn fragte: »Wo hast du denn gesteckt? Warst du verreist?«
    Als klar wurde, dass dem Mann aus Boston nicht so leicht beizukommen war, wurden die Spießgesellen noch nervöser. Den Waggon, in dem Fandorin von Cheyenne nach Crooktown reiste, überfiel bereits die ganze Bande. Und wieder ohne Resultat!
    Nun schloss sich Miss Callaghan der Operation an. Ohne Zweifel wuselte sie absichtlich vor dem Haus des Colonels herum, und ihre Freude über die Fahrt in dem Wundergefährt war absolut echt. Wahrscheinlich hatte es zu der Aufgabe der jungen Dalila gehört, den zugereisten Samson zu berücken oder jedenfalls dafür zu sorgen, dass er mit Klapper-Theo zusammentraf. In einem so gesetzlosenStädtchen wie Splitstone war es nicht weiter schwierig, einen Streit mit einem Fremdling zu arrangieren, und ein Verdikt von Geschworenen hatte man nicht zu fürchten.
    Aber nachdem die gescheite Ashlean sich den berühmten und entsetzlichen »Fendorin« angesehen hatte, begriff sie, dass er gar nicht so entsetzlich war. Mehr noch, der kluge Kopf war für die Sache bestens zu gebrauchen. Der Colonel würde seinem Landsmann gern vertrauen.
    Das war der Grund, warum das prachtvolle Fräulein das Duell mit Ted verhinderte, warum Scott seinen Partner nicht in den Abgrund stürzen ließ, warum die Schwarzen Tücher ihn nur so lasch verfolgten, nachdem er das »Geheimnis« des Bergwerks enthüllt hatte. In dem halbdunklen Stollen eine »Goldader« an die Wand zu malen und die oberste Kiste mit richtigen Nuggets zu füllen war nicht allzu schwierig.
    Der sympathische Washington Reid, den sie Fandorin so geschickt untergejubelt hatten, war zum Glück ein erfahrener Goldsucher. Es konnte ja sein, dass der Dilettant aus der Stadt nicht von selbst darauf kam, dass er im Schacht Gold gesehen hatte.
    Das bis ins Kleinste durchdachte Spektakel wurde aufs beste aufgeführt.
    Fandorin spielte glänzend die Rolle der Marionette (bei diesem Gedanken lief er rot an vor Wut).
    Der Geologe lieferte die richtige Expertise.
    Der Colonel schluckte gierig den Köder.
    Das Einzige, was die Puppenspieler nicht vorausgesehen hatten, war die Pedanterie der Marionette. Aber die Panne war entschuldbar, schließlich konnten die nicht wissen, mit wem sie es zu tun hatten …

    Dieser ganze Wirbel von Schlussfolgerungen raste blitzschnell durch Fandorins Kopf, während die Cowboys den Leichnamwegschleppten – ohne besonderen Respekt, doch zumindest in Grabesschweigen.
    Da kam Selma an den Zaun und reckte den Schwanenhals Fandorin entgegen.
    »Danke, du Sch-schöne«, sagte er ernsthaft und küsste die Rappstute auf die samtene Wange.
    Von der Vortreppe tönte helles Gelächter.
    »Du küsst wohl nur Stuten?«
    Miss Callaghan stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und sah ihn von oben herab an. Von der Morgensonne beschienen, ging ein Strahlen und Glitzern von ihr aus, als bestünde sie aus geschmolzenem Gold.
    Ein schlichter Wechsel der Taktik, dachte Fandorin schmunzelnd, genoss aber doch den Anblick.
    »Komm her. Oder fürchtest du dich vor mir?«
    Sie streckte ihm die schmalen Hände mit den langen und krallenartig zugespitzten Fingernägeln entgegen.
    Ich glaube schon, dachte er.
    »Miss, ich verstehe ja, dass Sie nach dem Vorgefallenen keine besonders hohe Meinung von meinen geistigen Fähigkeiten haben.

Weitere Kostenlose Bücher