Das Halsband des Leoparden
und skrupelloser Gewalt. Ich verfolge seine Karriere seit langem und freue mich, dass sich unsere Wege endlich kreuzen. Meine Vorahnung hat mich also nicht getäuscht! Ich wusste, dass diese Reise interessant wird.«
Unser Klient begleitete diese an mich gerichtete Erklärung mit gemurmelten Kommentaren wie »Schuft! Halunke!« und ähnlichen.
Er hatte eine interessante Art, die Kutsche zu lenken. Er wollte die Fahrt offensichtlich beschleunigen, griff aber kein einziges Mal zur Peitsche – er ruckte nur an den Zügeln und sagte: »Plus vite, mes fillettes, plus vite!« 1
»Fahren Sie fort, Sir. Ich bin ganz Ohr.«
Das musste Holmes nicht zweimal sagen. Des Essarts drehte sich nun ganz zu uns um, überließ die Pferde sich selbst und rief: »Eine Höllenmaschine! In meinem Haus ist eine Höllenmaschine versteckt! Heißt das so, ja? Wenn ich bis heute um Mitternacht nicht mein gesamtes Geld herausgebe, fliegt das Schloss in die Luft! ›Beim letzten Stundenschlag des alten Jahrhunderts‹ – so steht es in dem Brief!«
Er verschluckte sich vor Aufregung, und Holmes bemerkte belehrend: »Sehen Sie, Watson, Mr. Lupin ist ebenfalls der Meinung, dass das neunzehnte Jahrhundert heute endet.«
»Gratuliere zu diesem Gleichgesinnten«, parierte ich; doch wie immer, wenn mir eine geistvolle Antwort gelang, tat Holmes, als hätte er sie überhört.
Die Kalesche rumpelte anfangs über Kopfsteinpflaster, vorbei an bescheidenen, verwitterten Häusern, dann bog sie auf einen Hochuferweg ein. Irgendwo läutete eine Kirchenglocke, die Luft roch nach Meer, frischem Backwerk und Kerzenwachs.
Nachdem Des Essarts sich abgehustet hatte, endete er klagend: »Er droht, mein Haus in die Luft zu sprengen. Irgendwo ist eine Bombe mit einem Uhrwerk versteckt. Mir bleiben nur noch wenige Stunden, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Da haben Sie den Kern, ohne Details …«
Nun war es an der Zeit, Fragen zu stellen, doch Holmes schwieg und trommelte mit den Fingern auf seinem Geigenkasten herum. Also musste ich eingreifen.
»Verzeihen Sie, womöglich ist das ein Bluff, die Höllenmaschine mit dem Uhrwerk? Vielleicht will Lupin Sie nur einschüchtern?«
Der Klient seufzte schwer.
»Im Brief heißt es: ›Lupins Ehrenwort‹, und jeder weiß, dass das Ehrenwort dieses ehrlosen Menschen in höchstem Maße ernst zu nehmen ist.«
Wir fuhren einen hübschen Landweg entlang, vorbei an einer Steinmauer, über der alte Ulmen die Zweige schüttelten.
»Sie haben selbstverständlich nach der Bombe gesucht?«, fuhr ich fort.
»Ich habe zusammen mit Monsieur Bosquot, das ist mein Verwalter, das ganze Château auf den Kopf gestellt.«
»Und wo ist der Brief dieses … Wie hieß er gleich … Lupin?«
»Zu Hause. Wir sind fast da.«
Tatsächlich bog die Kalesche nach links ab und hielt im nächsten Augenblick vor einem schmiedeeisernen Tor mit Familienwappen.
»Ich schließe gleich auf.« Des Essarts stieg ächzend ab und klapperte mit Schlüsseln. »Ich habe den Torhüter nach Hause geschickt, auch die übrige Dienerschaft. Wozu das Leben der Leute aufs Spiel setzen? Nein, nein, sie wissen nichts von der Bombe. Ich habe gesagt, sie sollten das neue Jahr im Kreise ihrer Familie feiern. Nur Monsieur Bosquot ist geblieben. Freiwillig. Er weiß Bescheid. Ich habe ihn im September eingestellt, nach dem Tod des alten Verwalters. Eine äußerst glückliche Wahl! Monsieur Bosquot ist ein trefflicher Mensch und zudem sehr mutig.«
Die Pferde passierten das offene Tor und blieben stehen. Von dem kleinen Platz, hinter dem ein alter Park begann, gingen zwei Alleen ab – eine nach rechts, eine nach links. Der Hausherr schloss das Tor ab, setzte sich wieder auf den Kutschbock und lenkte das Gefährt nach links.
»Die rechte Allee führt direkt zum Haus, die linke zu den Nebengebäuden«, erklärte er. »Wir schauen kurz beim Verwalter vorbei. Vielleicht gibt es ja Neuigkeiten.«
Dichte Büsche säumten den Weg, und über uns berührten sich die Kronen hoher Eichen und Lärchen. Der ohnehin trübe Tag schien nun noch dunkler.
Zwischen dem Dickicht blitzte eine breite Rasenfläche auf, dahinterdie düstere Silhouette des Château du Vaux Garni: Ein kastenförmiger Bau mit hohem, eckigem Dach und runden Türmen. Die Fenster waren dunkel und blind. Mich dünkte, als habe das Haus in ängstlicher Vorahnung seines baldigen Todes die Augen zusammengekniffen. Obendrein schrie ganz in der Nähe auch noch heiser ein Rabe.
Ich erinnerte mich an meine
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