Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
gebracht hatte. »Fühlst du dich heute besser?« Dabei hielt er seine blutunterlaufenen Augen auf den Mann an der Theke und auf ihren Wagen draußen gerichtet.
Sandy schluckte und schüttelte den Kopf. Sie goss sich noch mehr Sirup über den Toast. »Darüber müssen wir reden«, sagte sie.
»Worüber denn?« fragte Carl, machte die verbrannte Kruste vom Schinken ab und steckte sich eine Scheibe in den Mund. Dann zog er eine Zigarette aus ihrer Schachtel und rollte sie zwischen den Fingern. Den Rest seiner Bestellung schob er zu Sandy rüber.
Sandy trank einen Schluck Kaffee und sah zu dem vollbesetzten Tisch neben ihnen. »Hat Zeit«, antwortete sie.
Der Mann an der Theke stand auf und gab der Kellnerin etwas Geld. Dann warf er sich mit einem müden Stöhnen den Rucksack über die Schulter und ging mit einem Zahnstocher zwischen den Lippen hinaus. Carl sah, wie er an den Straßenrand trat und einen Wagen anhalten wollte. Das Auto fuhr vorbei, und der Mann ging langsamen Schritts westwärts. Carl drehte sich zu Sandy um und nickte in Richtung Fenster. »Ja, hab ich gesehen«, sagte sie. »Na, toll. Sind doch überall. Wie die Küchenschaben.«
Carl beobachtete den Straßenverkehr, während Sandy aufaß. Er dachte über seine Entscheidung nach, heimzufahren. Die Zeichen waren letzte Nacht sehr klar gewesen, doch nun war er sich nicht mehr so sicher. Ein weiteres Model würde den Fluch der drei Sechser heraufbeschwören, andererseits konnten sie lange herumfahren, bis sie jemanden fanden, der so aussah wie dieser Bursche. Carl wusste, dass er es sich nicht mit den Zeichen verscherzen sollte, doch dann fiel ihm ein, dass ihre Zimmernummer letzte Nacht die
Sieben
gewesen war. Und seit der Junge hinausgegangen war, war nicht ein einziges Fahrzeug aufgetaucht. Er war immer noch dort draußen und wartete in der Hitze auf eine Mitfahrgelegenheit.
»Also gut«, sagte Sandy und wischte sich mit einer Papierserviette den Mund ab. »Jetzt kann ich fahren.« Sie stand auf und griff nach ihrer Tasche. »Wir sollten den Penner besser nicht warten lassen.«
3. TEIL
WAISEN UND GESPENSTER
17.
Nach dem Selbstmord seines Vaters gab man Arvin in die Obhut seiner Großmutter; Emma sorgte dafür, dass er jeden Sonntag mit Lenora und ihr zur Kirche ging, doch verlangte sie nie von ihm zu beten, zu singen oder vor dem Altar zu knien. Die Wohlfahrtsbehörde in Ohio hatte der alten Frau von dem entsetzlichen Sommer berichtet, den der Junge durchgemacht hatte, als seine Mutter im Sterben lag, und sie entschied, ihm nicht mehr aufzuzwingen als den normalen Kirchgang. Emma wusste, dass Reverend Sykes dazu neigte, ab und an ein wenig zu eifrig darauf bedacht zu sein, zögerliche Neuankömmlinge in die Herde aufzunehmen, deshalb war sie ein paar Tage vor Arvins Ankunft zu ihm gegangen und hatte ihm erklärt, dass ihr Enkel schon zum rechten Glauben finden würde, wenn man ihm Zeit ließ. Insgeheim war der Priester von der Vorstellung beeindruckt gewesen, dass sie tote Tiere an Kreuzen aufgehängt und Blut auf Baumstämme gegossen hatten – waren denn nicht schließlich alle berühmten Christen in ihren Vorstellungen fanatisch gewesen? –, aber er willigte ein und pflichtete Emma bei, dass dies vielleicht nicht die beste Methode war, einem jungen Menschen den Herrn nahezubringen. »Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Sykes. »Hat ja keinen Zweck, dass aus ihm auch so ein Durchgeknallter wird.« Er saß auf den Kirchenstufen und schälte gerade mit dem Taschenmesser einen fleckigen gelben Apfel. Es war ein sonniger Septembermorgen. Er trug sein gutes Jackett über einer ausgeblichenen Latzhose und ein weißes Hemd, das am Kragen durchgescheuert war. In letzter Zeit hatte er über Brustschmerzen geklagt, und Clifford Odell sollte ihn zu diesem neuen Arzt in Lewisburg fahren, doch Clifford war bislang noch nicht aufgetaucht. Sykes hatte in Banners Laden jemanden sagen hören, dass der Knochen-klempner sechs Jahre auf dem College gewesen sei, und freute sich darauf, ihn kennenzulernen. Ein Mann mit so viel Bildung konnte sicher alles heilen.
»Was soll das denn heißen, Albert?« fragte Emma.
Sykes sah von seinem Apfel auf und bemerkte den strengen Gesichtsausdruck der Frau. Es dauerte eine Weile, bis ihm aufging, was er da gesagt hatte, und sein faltiges Gesicht lief rot an, so peinlich war es ihm. »Tut mir leid, Emma«, stotterte er. »Ich habe damit nicht Willard gemeint, ganz bestimmt nicht. Er war ein guter Mann. Einer der Besten.
Weitere Kostenlose Bücher