Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
schüchtern auf den Fersen folgte. »Zur Cheerleaderin taugt sie nicht, das steht schon mal fest«, sagte er zu Onkel Earskell. Um alles in der Welt hätte er sich gewünscht, seine Großmutter hätte ihr niemals das Schwarz-Weiß-Foto von Helen geschenkt, auf dem sie in einem langen, formlosen Kleid und einem Hut auf dem Kopf unter dem Apfelbaum neben der Kirche stand. Nach Arvins Meinung brauchte Lenora gewiss keine neuen Ideen, wie man sich noch stärker zum Schatten der eigenen bedauernswerten Mutter machen konnte.
Wann immer Emma Arvin nach den Prügeleien zur Rede stellte, dachte er an seinen Vater und an jenen feuchten Herbsttag vor langer Zeit, als er auf dem Parkplatz des
Bull Pen
Charlottes Ehre verteidigt hatte. Obwohl dies in seiner Erinnerung der beste Tag war, den er mit seinem Vater verbracht hatte, sprach er nie darüber, ebenso wenig wie über die schlimmen Tage, die bald darauf folgten. Stattdessen antwortete er nur mit der leisen Stimme seines Vaters im Ohr: »Grandma, da draußen gibt es jede Menge nichtsnutziger Mistkerle.«
»Ach du meine Güte, Arvin, warum sagst du das andauernd?«
»Weil es stimmt.«
»Nun, dann solltest du mal versuchen, für sie zu beten«, schlug sie vor. »Das tut ja niemandem weh, oder?« In solchen Augenblicken bedauerte sie, Reverend Sykes gebeten zu haben, den Jungen seinen eigenen Weg zu Gott finden zu lassen. Soweit sie es erkennen konnte, war Arvin stets kurz davor, in die andere Richtung zu gehen.
Arvin rollte mit den Augen; Beten war ihr guter Rat für alles. »Vielleicht«, meinte er, »aber Lenora betet genug für uns beide, und ich kann nicht erkennen, dass ihr das sonderlich was bringt.«
18.
Die beiden Männer teilten sich am Ende des Mittelgangs ein Zelt mit der Flamingo Lady, einer spindeldürren Frau mit der längsten Nase, die Roy jemals an einem menschlichen Wesen gesehen hatte. »Sie ist doch nicht wirklich ein Vogel, oder?« fragte Theodore, nachdem sie ihr das erste Mal begegnet waren, und seine sonst so laute Stimme klang schüchtern und zittrig. Ihre merkwürdige Erscheinung machte ihm Angst. Sie hatten schon vorher mit Freaks gearbeitet, doch keiner von denen hatte auch nur annähernd so ausgesehen.
»Nein«, versicherte ihm Roy. »Das ist alles nur Show.«
»Hab ich mir gedacht«, sagte der Krüppel erleichtert. Er sah auf und bemerkte, dass Roy ihr auf den Hintern starrte, als sie zu ihrem Wohnwagen ging. »Schwer zu sagen, welche Krankheiten so was mit sich herumschleppt«, sagte er und wurde schnell wieder mutiger, sobald er sicher war, dass sie ihn nicht hören konnte. »Solche Frauen machen es doch für Geld auch mit einem Hund oder einem Esel oder sonst was.«
Die Flamingo Lady hatte sich ihre wilde Mähne rosa gefärbt, und sie trug einen Bikini und struppige Taubenfedern auf hautfarbenem Stoff. Ihre Show bestand hauptsächlich darin, die meiste Zeit über auf einem Bein in einem kleinen Planschbecken mit Dreckwasser zu stehen und sich mit ihrer spitzen Nase zu piksen. Hinter ihr auf dem Tisch stand ein Plattenspieler, der langsame, traurige Geigenmusik von sich gab und sie manchmal zum Weinen brachte, wenn sie an dem Tag aus Versehen zu viele von ihren Beruhigungspillen genommen hatte. Wie Theodore es befürchtet hatte, kam er nach ein paar Monaten dahinter, dass Roy bei ihr gelandet war, auch wenn er sie nie dabei erwischen konnte, wie sie es trieben. »Dieser hässliche Vogel wird eines Tages noch ein Ei legen«, maulte er Roy an, »und ich wette einen Dollar gegen einen Doughnut, dass das verdammte Küken aussehen wird wie du.« Manchmal machte es ihm etwas aus, manchmal war es ihm egal. Das hing davon ab, wie Flapjack der Clown und er gerade miteinander auskamen. Flapjack war zu Theodore gekommen, um sich ein paar Griffe auf der Gitarre zeigen zu lassen, doch dann hatte er dem Krüppel gezeigt, wie man auf dem kleinen Theodore flöten konnte. Roy beging ein einziges Mal den Fehler, seinen Cousin darauf hinzuweisen, dass das, was Theodore und der Clown da trieben, in den Augen Gottes eine abscheuliche Sünde sei. Theodore hatte seine Gitarre auf den mit Sägemehl bedeckten Boden gelegt und etwas braunen Saft in einen Pappbecher gespuckt. Seit Neuestem kaute er Tabak. Es wurde ihm zwar ein wenig übel davon, aber Flapjack mochte den Geruch. »Verdammt, Roy, du bist gerade der Richtige, so etwas zu sagen, du verrückter Bastard.«
»Was zum Henker soll das denn heißen? Ich lutsche keine Schwänze.«
»Na, vielleicht nicht,
Weitere Kostenlose Bücher