Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
beobachtete ihn misstrauisch. In der Schule ging das Gerücht, dass er noch nie zu Boden gerungen worden war und all seine Kämpfe gewann, weil er alles und jeden in West Virginia hasste. Selbst Gene hatte Angst vor ihm. Er beugte sich vor und sagte leise zu Arvin: »Glaub nur ja nicht, dass dir das Beten aus der Patsche hilft, du Arschloch.«
    Nachdem Gene weggegangen war, schlug Arvin die Augen wieder auf und trank einen Schluck Schokomilch. »Alles in Ordnung?« fragte Mary.
    »Klar«, antwortete Arvin. »Warum fragst du?«
    »Hast du wirklich gebetet?«
    »Ja«, sagte er und nickte. »Ich habe für den passenden Augenblick gebetet.«
    Er erwischte Dinwoodie eine Woche später in der Autowerkstatt seines alten Herrn, als er an seinem 56er Chevy eine Zündkerze wechselte. Bis dahin hatte Arvin ein Dutzend Papiertüten gesammelt. Als Genes jüngerer Bruder ihn ein paar Stunden später fand, steckte sein Kopf eng eingepackt in all den Beuteln. Der Arzt meinte, er könne von Glück reden, dass er nicht erstickt sei. »Arvin Russell«, sagte Gene zum Sheriff, als er wieder zu sich kam. Er hatte die letzten zwölf Stunden im Krankenhaus gelegen und halluziniert, er sei Letzter bei einem Rennen der Indy 500 geworden. Das war die längste Nacht seines Lebens gewesen; jedes Mal, wenn er aufs Gas trat, bremste der Wagen und kroch nur noch dahin. Der Lärm der Motoren, die ihn überholt hatten, klang ihm noch immer in den Ohren.
    »Arvin Russell?« fragte der Sheriff mit zweifelndem Ton in der Stimme. »Ich weiß schon, der Junge mischt gern mit, aber verdammt, du bist doppelt so groß wie er.«
    »Er hat mich überrumpelt.«
    »Du hast ihn also gesehen, bevor er dir diese Beule am Kopf verpasst hat?«
    »Nein«, antwortete Gene, »aber er war’s.«
    Genes Vater lehnte an der Wand und betrachtete verdrossen und mit blutunterlaufenen Augen seinen Sohn. Der Junge konnte quer durch das Zimmer den Fusel riechen, den der Alte intus hatte. Wenn sich Carl Dinwoodie an Bier hielt, war meistens alles in Ordnung, doch wenn er auf Wild Irish Rose verfiel, konnte er äußerst aggressiv sein. Das könnte auf mich zurückschlagen, wenn ich nicht aufpasse, dachte Gene. Seine Mutter ging in dieselbe Kirche wie die Russells. Sein Vater würde ihm die Scheiße herausprügeln, wenn er erfuhr, dass er diese kleine Schlampe Lenora belästigt hatte. »Vielleicht täusche ich mich auch«, sagte er.
    »Und warum hast du dann gesagt, der Russell-Junge sei es gewesen?«
    »Keine Ahnung. Geträumt vielleicht.«
    Genes Vater machte in seiner Ecke ein Geräusch wie ein würgender Köter und sagte dann: »Neunzehn und noch immer in der Schule. Wie finden Sie das, Sheriff? So nutzlos wie Zitzen an ’nem Eber, oder?«
    »Von wem reden Sie?« fragte der Sheriff irritiert.
    »Von diesem nichtsnutzigen Etwas, das da in dem Bett liegt«, sagte Carl und schwankte zur Tür hinaus.
    Der Sheriff sah den Jungen an. »Also, irgendeine Idee, wer dir all die Papiertüten über den Kopf gestülpt hat?«
    »Nein«, antwortete Gene. »Nicht die leiseste Ahnung.«

21.
    »Was hast du denn da?« fragte Earskell, als Arvin auf die Veranda trat. »Ich hab dich da drüben schießen hören.« Sein grauer Star wurde Woche für Woche schlimmer, so als zöge jemand in einem sowieso schon dämmrigen Zimmer langsam die schmutzigen Vorhänge zu. Noch ein paar Monate, fürchtete er, dann würde er nicht mehr Auto fahren können. Alt werden war das Allerschlimmste, was ihm je zugestoßen war. In letzter Zeit dachte er immer öfter an Alice Louise Berry. Durch ihren frühen Tod hatten sie beide so viel versäumt.
    Arvin hielt drei rote Eichhörnchen hoch. Die Pistole seines Vaters steckte im Hosenbund. »Heute Abend gibt es was Gutes«, verkündete er. Seit vier Tagen hatte Emma nur noch Bohnen und Bratkartoffeln gemacht. Gegen Ende des Monats, bevor ihre Rente kam, wurde es immer knapp. Der alte Mann und er gierten nach etwas Fleisch.
    Earskell beugte sich vor. »Die hast du doch wohl nicht mit diesem deutschen Scheißding geschossen, oder?« Insgeheim war er stolz darauf, wie der Junge mit der Luger umgehen konnte, aber er hielt noch immer nicht viel von Handfeuerwaffen. Denen würde er jederzeit eine Schrotflinte oder ein Gewehr vorziehen.
    »So schlecht ist die gar nicht«, erwiderte Arvin. »Man muss nur wissen, wie man damit umgeht.« Es war das erste Mal seit Langem, dass sich der Alte über die Pistole lustig gemacht hatte.
    Earskell legte den Werkzeugkatalog beiseite, in dem

Weitere Kostenlose Bücher