Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
ragten, oder einen verrosteten Rollstuhl mit Einschusslöchern, tief in einem Graben versteckt. Das Einzige, was er fand, waren zwei leere Schrotpatronen und ein Kaugummipapier. Als Lenora an jenem Morgen nicht auf seine Fragen nach ihrem Vater einging und weiter über das Schicksal faselte und über Paare, deren Liebe unter einem schlechten Stern stünde, und über all den anderen romantischen Quatsch, den sie in den Büchern aus der Schulbücherei las, ging Arvin auf, dass er hätte zu Hause bleiben und weiter am Bel Air arbeiten sollen. Der Wagen war seit dem Tag, als er ihn gekauft hatte, noch nicht richtig gefahren.
    »Verdammt noch mal, Lenora, hör auf, solchen Blödsinn zu reden«, hatte Arvin zu ihr gesagt. »Außerdem bist du vielleicht noch nicht mal Waise. Wenn’s nach den Leuten hier geht, ist dein Dad immer noch ziemlich munter. Mann, der könnte jederzeit über den Hügel da spaziert kommen und ein Tänzchen hinlegen.«
    »Ich hoffe darauf«, hatte sie erwidert. »Ich bete jeden Tag dafür.«
    »Auch wenn er deine Mutter umgebracht hat?«
    »Das ist mir gleich«, sagte sie. »Ich habe ihm schon vergeben. Wir könnten ganz von vorn anfangen.«
    »Das ist doch verrückt.«
    »Ist es nicht. Und was ist mit deinem Vater?«
    »Was soll mit ihm sein?«
    »Na ja, wenn er zurückkehren könnte …«
    »Mädchen, halt einfach deinen Mund.« Arvin ging zum Friedhofstor. »Wir beide wissen, dass das niemals geschehen wird.«
    »Tut mir leid«, sagte sie und fing an zu schluchzen.
    Arvin holte tief Luft und drehte sich um. Manchmal hatte er den Eindruck, sie würde ihr halbes Leben damit verbringen zu weinen. Er hielt die Autoschlüssel in der Hand. »Hör mal, wenn du mitfahren willst, dann komm.«
    Zu Hause reinigte er den Vergaser des Bel Air mit einer in Benzin getunkten Drahtbürste und fuhr gleich nach dem Essen wieder los, um Hobart und Daryl aufzugabeln. Arvin war schon die ganze Woche bedrückt, er musste ständig an Mary Jane Turner denken, und er wollte sich so richtig volllaufen lassen. Mary Janes Vater hatte schon nach kurzer Zeit festgestellt, dass das Leben in der Handelsmarine erheblich einfacher war, als felsige Felder zu pflügen und sich Sorgen darüber zu machen, ob es genügend regnete oder nicht; also hatte er am letzten Sonntagmorgen seine Familie eingepackt, war nach Baltimore gezogen und hatte auf einem neuen Schiff angeheuert. Arvin war zwar seit ihrem ersten Date hinter ihr her gewesen, doch nun war er froh, dass Mary ihn nicht richtig rangelassen hatte. Sich zu verabschieden, war auch so schon schwer genug gewesen. »Bitte«, hatte er gefleht, als sie am Vorabend ihrer Abreise vor ihrer Haustür gestanden hatten, und sie hatte gelächelt, sich auf Zehenspitzen gestellt und ihm ein letztes Mal schmutzige Wörter ins Ohr geflüstert. Hobart, Daryl und er hatten das Geld für eine Flasche Whiskey, ein Zwölferpack Bier, ein paar Schachteln Pall Mall und eine Tankfüllung zusammengeschmissen. Dann waren sie bis Mitternacht die öden Straßen von Lewisburg auf und ab gefahren, hatten Radio gehört, mal bei besserem, mal bei schlechterem Empfang, und hatten damit geprahlt, was sie nach der Schule alles machen würden, so lange, bis ihre Stimmen so rau waren wie Schotter von all dem Qualm und dem Whiskey und den aufgeblasenen Zukunftsplänen.
    Arvin lehnte sich im Schaukelstuhl zurück und fragte sich, wer wohl in ihrem alten Haus wohnte, ob der Verkäufer noch immer im Wohnwagen hauste und ob Janey Wagner schon schwanger war. »Im Schlitz rumfingern«, murmelte er. Dann fiel ihm ein, wie der Sheriff namens Bodecker ihn auf den Rücksitz des Streifenwagens gesetzt hatte, nachdem sie vom Gebetsbaum gekommen waren, so als hätte der Hüter des Gesetzes Angst vor ihm gehabt, einem Zehnjährigen mit Blaubeerkuchen im Gesicht. In jener Nacht hatten sie ihn in eine leere Zelle gesteckt, weil sie nicht wussten, was sie sonst mit ihm hätten anfangen sollen, und die Dame von der Wohlfahrt war am folgenden Nachmittag mit ein paar Klamotten von ihm und der Adresse seiner Großmutter aufgetaucht. Er hielt die Flasche in die Höhe und sah, dass noch etwa fünf Zentimeter übrig waren. Er stellte sie unter den Schaukelstuhl, für Earskell morgen früh.

23.
    Reverend Sykes hustete, und die Gemeinde von Coal Creek sah, wie ihm etwas blasses Blut das Kinn hinunterlief und auf das Hemd tropfte. Doch er machte weiter und hielt den Menschen eine ordentliche Predigt über Nachbarschaftshilfe; gegen Ende

Weitere Kostenlose Bücher