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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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mit einer Liebe zu Jesus Christus im Herzen aufwachte. Unter gar keinen Umständen wollte sie, dass er in der Hölle endete wie dieser Elvis Presley und all die anderen Sünder, die er sich im Radio anhörte.
    »Du weißt doch, dass man das nicht fragt«, sagte Emma mahnend.
    »Schon in Ordnung, Grandma«, winkte Arvin ab. »Ich hab mir gewünscht, ich könnte euch alle mit nach Ohio nehmen und euch zeigen, wo wir gewohnt haben. Da war es schön, so oben auf dem Hügel. Zumindest, bevor Mom krank wurde.«
    »Habe ich euch jemals von der Zeit erzählt, als ich in Cincinnati gewohnt habe?« fragte Earskell.
    Arvin sah die beiden anderen an und zwinkerte. »Nein«, antwortete er, »daran kann ich mich nicht erinnern.«
    »Himmel, nicht schon wieder«, murmelte Emma, und Lenora lächelte, nahm den Kerzenstummel aus dem Kuchen und legte ihn in die Streichholzschachtel.
    »Ja, ich bin einer Frau hinterhergefahren«, sagte der alte Mann. »Sie war aus Fox Knob, ist gleich neben dem Haus der Rileys aufgewachsen. Das Haus steht nicht mehr. Wollte auf die Sekretärinnenschule. Da war ich nicht viel älter als du jetzt.«
    »Wer wollte auf die Sekretärinnenschule«, fragte Arvin, »du oder das Mädchen?«
    »Ha! Sie!« antwortete Earskell. Er holte tief Luft und seufzte lang. »Sie hieß Alice Louise Berry. Du erinnerst dich noch an sie, oder, Emma?«
    »Ja, Earskell.«
    »Und, warum bist du nicht dort geblieben?« fragte Arvin ohne nachzudenken. Er hatte zwar Einzelheiten der Geschichte schon hundert Mal gehört, aber er hatte Earskell noch nie gefragt, warum er wieder in Coal Creek gelandet war. Aus der Zeit mit seinem Vater wusste Arvin noch, dass man sich nicht zu sehr in anderer Leute Angelegenheit einmischen sollte. Jeder hatte irgendetwas, von dem er nicht gern sprach, er selbst nicht ausgenommen. In den fünf Jahren seit dem Tod seiner Eltern hatte er nicht ein einziges Mal die bitteren Gefühle erwähnt, die er gegen seinen Vater hegte, weil der ihn verlassen hatte. Jetzt kam er sich wie ein Esel vor, den alten Earskell so bedrängt zu haben. Er packte die Pistole wieder in das Tuch.
    Earskell sah mit trüben, umwölkten Augen durch den Raum, so als würde er auf der geblümten Tapete nach der Antwort suchen, obwohl er sie längst wusste. Alice Louise Berry war während der Grippeepidemie von 1918 gestorben, so wie etwa drei Millionen anderer armer Seelen. Wenn wir doch nur in den Bergen geblieben wären, dachte Earskell oft, dann wäre sie vielleicht noch am Leben. Doch Alice hatte immer große Pläne, das war eines der Dinge, die er an ihr so geliebt hatte, und er war froh, dass er nicht versucht hatte, sie ihr auszureden. Er war sicher, diese Tage, die sie in Cincinnati zwischen den hohen Gebäuden und menschenvollen Straßen verbracht hatten, bevor sie die Grippe kriegte, waren die glücklichsten ihres Lebens gewesen. Und seines Lebens auch. Nach ein, zwei Minuten blinzelte er die Erinnerungen fort und sagte: »Der sieht aber lecker aus, der Kuchen.«
    Emma nahm das Messer und schnitt ihn in vier Stücke, für jeden eins.

20.
    Eines Tages nach Schulschluss suchte Arvin nach Lenora und entdeckte sie, wie sie von drei Burschen umringt mit dem Rücken zum Müllverbrenner neben der Busgarage stand. Er näherte sich ihnen von hinten und hörte Gene Dinwoodie zu ihr sagen: »Scheiße, du bist so hässlich, da muss ich dir ja ’nen Sack über den Kopf stülpen, um ’nen Ständer zu kriegen.« Die anderen beiden, Orville Buckman und Tommy Matson, lachten und rückten näher an Lenora heran. Die drei waren ein oder zwei Mal sitzen geblieben und waren alle größer als Arvin. Die meiste Zeit in der Schule verbrachten sie im Schulwerkraum, erzählten sich schmutzige Witze mit dem nutzlosen Werkkundelehrer und rauchten Selbstgedrehte. Lenora hatte die Augen zusammengepresst und betete. Tränen flossen ihr über das rosige Gesicht. Arvin konnte Dinwoodie nur ein paar Schläge versetzen, bevor die anderen ihn zu Boden warfen und abwechselnd auf ihn einprügelten. Während er da im Kies lag, dachte er an den Jäger, den sein Vater damals verdroschen hatte; daran dachte er meistens mitten im Kampf. Doch anders als der Jäger gab Arvin nie auf. Die drei hätten ihn wohl umgebracht, wenn der Hausmeister nicht mit einem Stapel Pappkartons aufgetaucht wäre, die er verbrennen wollte. Sein Kopf tat Arvin eine Woche lang weh, und es dauerte noch ein paar weitere Wochen, bis er wieder lesen konnte, was an der Tafel stand.
    Arvin

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