Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
hatte. Jemand hatte schon ein Stück davon abgebissen. Die gehackte Zwiebel kratzte er mit dem Taschenmesser herunter.
    »Die kontrollieren alles von Circleville bis Portsmouth«, erklärte ihm Sandy. »Jedenfalls alles, was illegal ist.«
    »Aha«, sagte Carl. »Und woher weißt du das?« Andauernd kam sie mit irgendwelchem Blödsinn an, den ihr ein Besoffener erzählt hatte. Letzte Woche hatte sie mit jemandem gesprochen, der angeblich bei der Ermordung von Kennedy dabei gewesen war. Manchmal regte es Carl ungeheuer auf, dass sie so leichtgläubig war, aber andererseits war das wohl einer der Gründe, warum sie überhaupt die ganze Zeit bei ihm geblieben war.
    »Na, weil dieser Typ heute in die Bar gekommen ist, gleich nachdem Juanita gegangen war, und mir einen Umschlag überreicht hat, den ich Lee geben sollte.« Sandy zündete sich eine Zigarette an und pustete den Qualm an die fleckige Zimmerdecke. »Der Umschlag war voller Geld, und das waren nicht nur Ein-Dollar-Scheine. Da müssen vier-, fünfhundert Dollar drin gewesen sein, vielleicht sogar mehr.«
    »Himmel, hast du was davon genommen?«
    »Machst du Witze? Das sind keine Leute, die du beklauen willst.« Sie nahm sich eine Pommes frites aus der fettigen Pappschachtel, die vor Carl stand, und tunkte sie in ein Häufchen Ketchup. Den ganzen Abend lang hatte sie daran gedacht, in den Wagen zu springen und mit dem Umschlag abzuhauen.
    »Aber er ist dein Bruder, verdammt. Er wird dir nichts tun.«
    »Ach Scheiße, Carl, so wie Lee gerade drauf ist, glaube ich nicht, dass er lange zögern würde, uns loszuwerden. Zumindest dich.«
    »Und was hast du damit gemacht? Hast du das Geld immer noch?«
    »Nein. Als Lee auftauchte, habe ich es ihm gegeben und mich dumm gestellt.« Sie hatte auf die Pommes frites in ihrer Hand geblickt und sie in den Aschenbecher fallen lassen. »Er schien nicht sonderlich glücklich zu sein«, hatte sie noch hinzugefügt.
    Carl dachte immer noch an seinen Schwager und bog in die Vine Street ein. Jedes Mal, wenn er Lee traf, was zum Glück nicht allzu häufig war, fragte ihn der Mistkerl: »Und, wo arbeitest du, Carl?« Er hätte alles dafür gegeben, Lees Hintern so im Schlamassel stecken zu sehen, dass er nicht einfach wieder davonkommen konnte, indem er seine fette Dienstmarke zückte. Vor sich sah er zwei Burschen, fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, die langsam den Bürgersteig entlanggingen. Er hielt an, schaltete den Motor aus, kurbelte das Fenster herunter und nahm ein paar Züge von der kalten Luft. Er beobachtete, wie sie sich am Ende des Blocks trennten, einer ging ostwärts, der andere nach Westen. Carl kurbelte auch das Beifahrerfenster herunter, startete den Motor, fuhr ans Stoppschild und bog rechts ab.
    »He«, sagte Carl und hielt neben dem dürren Jungen, der eine dunkelblaue Jacke mit der weiß aufgestickten Aufschrift MEADE HIGHSCHOOL auf dem Rücken trug. »Soll ich dich mitnehmen?«
    Der Junge blieb stehen und sah den Fahrer hinter dem Lenker des zerschundenen Kombis an. Das verschwitzte Gesicht glänzte im grellen Schein der Straßenlaterne. Braune Stoppeln bedeckten seine fetten Wangen und den Hals. Seine Augen waren klein, gemein, wie bei einer Ratte. »Wie bitte?« fragte der Junge.
    »Ich fahr nur so rum«, sagte Carl. »Vielleicht können wir uns ja irgendwo ein Bier holen.« Er schluckte und schwieg, bevor er noch anfing zu betteln.
    Der Bursche grinste verächtlich. »Da sind Sie an den Falschen geraten, Mister«, sagte er. »Ich bin nicht von der Sorte.« Und dann ging er weiter, diesmal schneller.
    »Ach, fick dich doch«, sagte Carl leise. Er sah, wie der Junge ein paar Türen weiter in einem Haus verschwand. Er war zwar ein wenig enttäuscht, aber vor allem erleichtert. Er wusste, er hätte sich nicht mehr bremsen können, wenn er den Mistkerl erst einmal im Wagen gehabt hätte. Er konnte es sich schon bildhaft vorstellen, wie der kleine Scheißer ausgeweidet im Schnee lag. Eines Tages, dachte er, würde er mal ein Winterfoto machen.
    Carl fuhr zurück zum
White Cow Diner
und sah, dass Bodecker verschwunden war. Er stellte den Wagen ab und ging hinein, setzte sich an die Theke und bestellte sich einen Kaffee. Seine Hände zitterten noch immer. »Verdammt, ist das kalt draußen«, sagte er zur Kellnerin, einem großen, dünnen Mädchen mit roter Nase.
    »So ist nun mal Ohio«, sagte sie.
    »Ich bin das nicht gewohnt.«
    »Ach, Sie sind nicht von hier?«
    »Nein«, antwortete Carl, trank einen Schluck

Weitere Kostenlose Bücher