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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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Herz schlug nun schneller. »Wir müssen nur eine ruhige Stelle finden.« Er zog den Bauch ein und schob sich die Waffe hinter den Hosenbund.
    Als er eine Woche später endlich den Mut aufbrachte, den Film zu entwickeln, den er an jenem Tag geschossen hatte, wusste Carl schon auf den ersten Blick, dass ihn aus der flachen Fixierschale der Anfang seines Lebenswerks anstarrte. Es tat ihm zwar weh, Sandy ihre Arme um den Hals dieses Hurenbocks schlingen zu sehen, während sie zum ersten Mal einen richtigen Höhepunkt bekam, doch er wusste, er würde nie wieder damit aufhören können. Und die Demütigung, die er in Kalifornien über sich hatte ergehen lassen müssen? Er schwor, dass ihm das nie wieder passieren würde. Im darauffolgenden Sommer gingen sie zum ersten Mal auf die Jagd.
    Die Kellnerin wartete, bis Carl sich die Zigarre angezündet hatte, und fragte dann: »Und was machen Sie da drüben in Kalifornien?«
    »Ich bin Fotograf. Meistens Filmschauspieler.«
    »Wirklich? Haben Sie schon mal Fotos von Tab Hunter gemacht?«
    »Nein, kann ich nicht behaupten«, antwortete Carl, »aber ich wette, mit dem könnte man gut arbeiten.«

27.
    Nach ein paar Tagen war Carl bereits Stammgast im
White Cow Diner
. Nachdem er sich den Großteil des Winters in der Wohnung eingeschlossen hatte, war ihm richtig wohl dabei, wieder unter Menschen zu sein. Als die Kellnerin ihn fragte, wann er denn nach Kalifornien zurückfahren wolle, sagte er zu ihr, er habe beschlossen, noch eine Weile zu bleiben und mal Abstand von all dem Hollywood-Scheiß zu nehmen. Eines Abends, als er an der Theke saß, fuhren zwei Männer von etwa sechzig Jahren in einem langen schwarzen El Dorado vor. Sie hielten direkt vor der Eingangstür und kamen hereinmarschiert. Einer von ihnen trug mit Pailletten bestickte Cowboyklamotten. Sein Bierbauch drückte gegen eine Gürtelschnalle, die wie eine Winchester aussehen sollte, und er ging krummbeinig, so als sei er entweder gerade von einem ziemlich breiten Pferd gestiegen, überlegte Carl, oder als hielte er eine Gurke im Hintern versteckt. Der andere hatte einen dunkelblauen Anzug an, der vorn mit allerlei Abzeichen und patriotischen Bändern geschmückt war, und auf dem Kopf ein schräg sitzendes Schiffchen des Veteranenverbands. Die Gesichter der beiden waren ganz rot vor Schnaps und Arroganz. Carl erkannte den Cowboy aus der Zeitung, ein republikanisches Großmaul aus dem Stadtrat, der sich bei den monatlichen Sitzungen ständig über die angeblich abartig wilden Sexeskapaden im Stadtpark von Meade aufregte. Carl war dort schon hundert Mal nachts vorbeigefahren, doch das Heißeste, was er zu sehen bekommen hatte, war ein Paar schlaksiger Teenager, das vor dem kleinen Weltkriegs-Denkmal herumknutschte.
    Die beiden Männer setzten sich in eine Nische und bestellten Kaffee. Die Kellnerin brachte ihnen die Tassen, und die beiden unterhielten sich über einen Langhaarigen, den sie bei der Herfahrt vom Büro der American Legion auf dem Bürgersteig gesehen hatten. »Hätte nie gedacht, dass ich so etwas hier jemals zu Gesicht kriegen würde«, sagte der Anzugträger.
    »Warte nur ab«, sagte der Cowboy. »Wenn man dagegen nichts unternimmt, gibt’s davon in ein, zwei Jahren so viele wie Flöhe auf ’nem Affenarsch.« Er trank einen Schluck Kaffee. »Eine Nichte von mir wohnt in New York City, und ihr Freund sieht aus wie ein Mädchen, Haare bis über die Ohren. Ich sag ihr andauernd, schick ihn mal zu mir, ich werd ihm schon ein paar Flötentöne beibringen, aber sie will nicht. Sie meint, ich würde zu grob mit ihm umspringen.«
    Dann sprachen sie etwas leiser, doch Carl konnte immer noch hören, wie sie darüber redeten, früher Nigger aufgeknöpft zu haben, und dass man mal wieder jemanden lynchen müsste, auch wenn das hart sei; aber diesmal seien die Langhaarigen dran. »Ein paar von denen sollte man mal die Hälse langziehen«, sagte der Cowboy. »Das würde sie wachrütteln, bei Gott. Zumindest würden sie sich dann nicht mehr hierher trauen.«
    Carl konnte quer durch den Diner ihr Aftershave riechen. Er starrte die Zuckerschale vor sich auf der Theke an und versuchte, sich ihre Geschichte vorzustellen, all die unwiederbringlichen Schritte, die sie bis hierher in diese kalte, dunkle Nacht in Meade, Ohio, geführt hatten. Das Gefühl, das ihn in diesem Augenblick durchfuhr, war wie ein elektrischer Schlag. Ihn durchdrang die Erkenntnis von seiner eigenen kurzen Zeit auf dieser Erde, von dem, was er damit

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