Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels
hast ganz gut verdient heute Abend«, sagte er, als sie endlich fertig war.
»Nicht schlecht für einen Mittwoch, schätze ich«, sagte sie und lächelte müde. »Und was hast du gemacht?«
Carl zögerte. »Ach, ich hab den Kühlschrank sauber gemacht und ein paar Kirchenlieder gesungen.«
»Und, hast du die Alte wieder verärgert?«
»Ich hab nur einen Scherz gemacht. Ich habe aber ein paar neue Fotos für dich.«
»Von wem?« fragte sie.
»Dem mit dem Tuch um den Kopf. Sind ziemlich gut geworden.«
»Heute Abend nicht«, winkte sie ab. »Sonst kann ich gar nicht mehr schlafen.« Dann schob sie ihm die Hälfte des Geldes über den Tisch. Er wischte das Kleingeld zusammen und warf es in eine Kaffeedose, die er unter der Spüle aufbewahrte. Sie sparten auf die nächste Schrottkarre, den nächsten Film, die nächste Reise. Carl machte das dritte Bier auf und goss Sandy ein Glas ein. Dann kniete er sich hin, zog ihr die Schuhe aus und begann, ihr die Arbeitslast aus den Füßen zu massieren. »Ich hätte das heute nicht über deinen blöden Doktor sagen sollen«, entschuldigte er sich. »Schau dir ruhig an, was du willst.«
»Ist wenigstens eine Beschäftigung, Schätzchen«, sagte Sandy. »Das lenkt mich ein wenig ab, weißt du?« Er nickte und drückte seine Finger sanft in ihre weichen Fußsohlen. »Das ist die richtige Stelle«, sagte sie und streckte die Beine aus. Nachdem sie das Bier ausgetrunken und eine letzte Zigarette geraucht hatte, hob er ihren dürren Körper hoch und trug sie durch den Flur ins Schlafzimmer; dabei musste sie kichern. Er hatte sie schon seit Wochen nicht mehr lachen hören. Er würde sie heute Nacht wärmen, das war das Mindeste, was er tun konnte. Es war fast vier Uhr früh, und irgendwie, mit viel Glück und wenig Kummer, hatten sie einen weiteren langen Wintertag hinter sich gebracht.
26.
Ein paar Tage später fuhr Carl Sandy zur Arbeit und sagte ihr, er müsse mal für eine Weile raus aus der Wohnung. Es hatte in der Nacht zuvor ein paar Zentimeter Neuschnee gegeben, und an jenem Morgen brach die Sonne endlich durch die dicken, grauen Wolkenbänke, die in den letzten Wochen wie ein trister, unnachgiebiger Fluch über Ohio gehangen hatten. In Meade war alles, selbst der Schornstein der Papierfabrik, strahlend und weiß. »Willst du für eine Minute reinkommen?« fragte Sandy, als Carl vor der
Tecumseh Lounge
hielt. »Ich spendier dir ein Bier.«
Carl sah all die Wagen auf dem matschigen Parkplatz stehen. Er war überrascht, dass er mitten am Tag so voll war. Carl hatte sich so lange in der Wohnung eingesperrt, dass er fürchtete, er könne beim ersten Mal zurück in der wirklichen Welt nicht gleich so viele Menschen auf einmal ertragen. »Ach, ein andermal«, winkte er ab. »Ich dachte, ich fahr mal eine Weile herum und versuche, vor der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein.«
»Wie du möchtest«, sagte Sandy und öffnete die Beifahrertür. »Vergiss nur nicht, mich abzuholen.«
Kaum war Sandy verschwunden, fuhr Carl wieder zur Wohnung in der Watt Street. Er saß da, starrte zum Küchenfenster hinaus, bis die Sonne unterging, und lief dann zum Wagen. Er legte die Kamera ins Handschuhfach und schob die Pistole unter den Sitz. Der Tank war noch halb voll und er hatte fünf Dollar in der Tasche, die er aus der Dose mit dem Reisegeld genommen hatte. Er versprach sich, nichts zu unternehmen, nur ein wenig herumzufahren und so zu tun, als ginge es wieder los. Manchmal wünschte er sich, er hätte all diese verdammten Regeln nie aufgestellt. Hier in der Gegend konnte er wahrscheinlich jede Nacht einen Penner umlegen, wenn er wollte. »Aber deshalb hast du ja die Regeln aufgestellt, Carl«, ermahnte er sich, als er die Straße entlangfuhr. »Damit du nicht alles versaust.«
Als er am
White Cow Diner
an der High Street vorbeikam, sah er seinen Schwager am Rande des Parkplatzes neben seinem Streifenwagen stehen und mit jemandem reden, der hinter dem Lenkrad eines glänzend schwarzen Lincoln saß. Sie schienen sich zu streiten, so wie Bodecker herumfuchtelte. Carl bremste ab und beobachtete sie im Rückspiegel, so lange es ging. Er dachte daran, was Sandy vor ein paar Wochen gesagt hatte: dass ihr Bruder noch im Gefängnis enden würde, wenn er nicht aufhörte, sich mit solchen Kerlen wie Tater Brown und Bobo McDaniels abzugeben. »Wer zum Henker ist das?« hatte Carl gefragt. Er hatte am Küchentisch gesessen und einen der Cheeseburger ausgepackt, die sie von der Arbeit mitgebracht
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