Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
Vom Netzwerk:
dünnen grauen Haare gebunden hatte. Sie sprach nicht viel, aber als sie sich hinsetzte und mitaß, wusste Arvin, dass er sich keine Sorgen mehr um sie machen musste. Als am folgenden Tag der Vorarbeiter aus dem Auto stieg, auf seine Uhr zeigte und damit signalisierte, dass Feierabend sei, eilte Arvin zu seinem Wagen und fuhr erneut zu Teagardin. Vierhundert Meter entfernt hielt er an und ging zu Fuß weiter über einen Waldweg. Er setzte sich in die Astgabel einer Robinie und beobachtete das Haus des Gottesmannes, bis die Sonne unterging. Er wusste zwar noch nicht, wonach er Ausschau hielt, aber er hatte so eine Ahnung, wo er es finden könnte.

38.
    Drei Tage später erklärte Arvin seinem Boss nach Feierabend, dass er nicht wiederkommen würde. »Ach, komm schon, Junge«, sagte der Vorarbeiter. »Scheiße, du bist einer der Besten, die ich habe.« Er spuckte einen dicken Schwall Tabaksaft gegen das Vorderrad seines Pick-ups. »Noch zwei Wochen? Bis dahin sind wir fertig.«
    »Es ist nicht wegen der Arbeit, Tom«, erklärte Arvin. »Ich hab im Augenblick einfach was anderes zu erledigen.«
    Er kaufte in Lewisburg zwei Schachteln 9-mm-Munition, fuhr nach Hause und sah nach Emma. Sie war in der Küche und schrubbte auf Händen und Knien den Linoleumfußboden. Arvin ging in sein Zimmer und holte die Luger aus der untersten Schublade seiner Kommode. Es war das erste Mal, dass er sie anrührte, seit Earskell ihn vor über einem Jahr gebeten hatte, sie wegzusperren. Arvin sagte seiner Großmutter, er sei bald wieder zurück, und fuhr zum Stony Creek. Er ließ sich beim Putzen der Waffe Zeit, dann lud er acht Patronen ins Magazin und reihte ein paar Dosen und Flaschen auf. Im Laufe der folgenden Stunde lud er vier Mal nach. Als er die Pistole ins Handschuhfach legte, fühlte sie sich wieder wie ein Teil der eigenen Hand an. Arvin hatte nur drei Mal danebengeschossen.
    Auf dem Heimweg hielt er am Friedhof. Lenora war neben ihrer Mutter beerdigt worden. Der Steinmetz hatte den Grabstein noch nicht aufgestellt. Arvin stand da, betrachtete den trockenen braunen Staub, der ihre Grabstelle markierte, und dachte an das letzte Mal, als sie hier gewesen waren, um Helens Grab zu besuchen. Er konnte sich noch vage daran erinnern, wie Lenora an jenem Nachmittag auf ihre linkische Art versucht hatte, mit ihm zu flirten; sie hatte von Waisen gesprochen und von Liebenden, die unter einem schlechten Stern stünden, und er war verärgert gewesen. Wenn er nur ein wenig mehr Aufmerksamkeit aufgebracht hätte, dachte er, und wenn die Leute sich nicht so oft über sie lustig gemacht hätten, dann hätten sich die Dinge vielleicht anders entwickelt.
    Am nächsten Morgen verließ er das Haus zur üblichen Zeit und tat so, als würde er zur Arbeit aufbrechen. Er war sich zwar sicher, dass es Teagardin gewesen war, aber er wollte es genau wissen. Er folgte ihm auf Schritt und Tritt. Innerhalb von einer Woche hatte er das Schwein drei Mal dabei beobachtet, wie er Pamela Reaster auf einer alten Farmzufahrt gleich neben der Ragged Ridge Road vögelte. Sie kam jeden zweiten Tag genau zur Mittagszeit über die Weide ihrer Eltern, um sich dort mit ihm zu treffen. Teagardin saß dann schon in seinem Sportwagen und betrachtete sich im Spiegel, bis sie auftauchte. Nach dem dritten Mal stapelte Arvin Holz und Grießwurzeln zu einem Sichtschutz auf, nur ein paar Meter von der Stelle entfernt, wo der Prediger immer im Schatten einer großen Eiche parkte. Es war Teagardins Gewohnheit, das Mädchen wegzuschicken, sobald er mit ihm fertig war. Dann trödelte er gern noch eine Weile unter dem Baum, erleichterte seine Blase und hörte sich Teenie-Musik im Radio an. Ab und zu vernahm Arvin, wie er mit sich selbst sprach, doch er konnte kein Wort verstehen. Nach zwanzig, dreißig Minuten wurde der Wagen gestartet, Teagardin wendete am Ende der Zufahrt und fuhr heim.
    In der folgenden Woche setzte der Prediger auch Pamelas jüngere Schwester auf seinen Dienstplan, doch die Treffen mit Beth Ann fanden in der Kirche statt. Da hatte Arvin keinen Zweifel mehr, und als er Sonntagmorgen zum Klang der Kirchenglocken wach wurde, der durch die Senke hallte, beschloss er, dass die Zeit gekommen war. Wenn er noch länger wartete, so fürchtete er, würde er die Nerven verlieren. Er wusste, dass Teagardin das ältere Mädchen immer montags traf. Der geile Mistkerl schätzte Regelmäßigkeit.
    Arvin zählte das Geld, das er im Laufe der letzten paar Jahre beiseitegelegt hatte.

Weitere Kostenlose Bücher