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Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels

Titel: Das Handwerk des Teufels - Pollock, D: Handwerk des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald Ray Pollock
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solchen Fällen wie dem ihren gehört, bei denen Menschen eine so fürchterliche Sünde begangen hatten, dass sie irgendwann ganz geblendet und krank davon waren und sich schließlich gewisse Dinge einbildeten. Er hatte sogar von Menschen gelesen, einfachen Leuten, von denen manche kaum ihren Namen schreiben konnten, die davon überzeugt waren, der Präsident zu sein, der Papst oder irgendein berühmter Filmschauspieler. Solche Leute, sagte Teagardin mit trauriger Stimme, endeten meistens in der Klapsmühle, wurden dort von den Wachleuten missbraucht und mussten ihren eigenen Kot essen.
    Lenora schluchzte nicht mehr. Sie wischte sich die Augen mit dem Kleiderärmel trocken. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte sie. »Ich trage dein Kind aus.«
    Er streckte die Hände aus und seufzte. »Das gehört auch dazu, stand in dem Buch, dieses Unverständnis. Aber denk doch mal darüber nach. Wie kann ich denn der Vater sein? Ich habe dich nicht angerührt, nicht ein einziges Mal. Sieh dich doch an. Ich habe eine Frau zu Hause, die ist hundert Mal schöner als du, und die tut alles, was ich von ihr verlange, und damit meine ich alles.«
    Sie sah ihn völlig verwirrt an. »Willst du damit sagen, dass du dich an nichts von dem erinnerst, was wir in deinem Wagen getan haben?«
    »Ich will damit sagen, dass du verrückt sein musst, um ins Haus des Herrn zu kommen und solchen Blödsinn zu erzählen. Glaubst du vielleicht, irgendjemand würde dir mehr glauben als mir? Ich bin ein Mann Gottes.« Himmel, dachte er, während er da stand und auf diese schniefende Göre heruntersah, warum hatte er sich nicht in Geduld geübt und gewartet, bis das Reaster-Mädchen vorbeikam. Pamela hatte sich als der beste Happen seit den frühen Tagen von Cynthia erwiesen.
    »Aber du bist doch der Vater«, sagte Lenora mit betäubter Stimme. »Da gibt es keinen anderen.«
    Teagardin sah wieder auf die Uhr. Er musste diese Schlampe möglichst schnell loswerden, sonst war der ganze Nachmittag im Eimer. »Ich rate dir, Mädchen«, sagte er mit leiser, hasserfüllter Stimme, »finde einen Weg, wie du das loswirst – falls du denn überhaupt schwanger bist, wie du behauptest. Wenn du es behältst, ist es doch nur ein kleiner Bastard mit einer Hure als Mutter. Tu es vor allem der armen alten Frau zuliebe, die dich aufgezogen hat und jeden Sonntag mit in die Kirche nimmt. Sie würde vor Kummer sterben. Und jetzt verschwinde, bevor du noch mehr Unheil anrichtest.«
    Lenora sagte kein weiteres Wort. Sie sah zu dem Holzkreuz hinüber, das an der Wand hinter dem Altar hing, und stand auf. Teagardin entriegelte die Tür, hielt sie ihr mit einem verächtlichen Gesichtsausdruck auf, und Lenora ging mit gesenktem Kopf an ihm vorbei. Sie hörte, wie die Tür hinter ihr schnell zugeschlossen wurde. Sie war sehr schwach, doch sie schaffte es noch ein paar Hundert Meter weiter, bis sie unter einem Baum nahe des Straßenrands zusammenbrach. Sie konnte die Kirche sehen, in die sie ihr Leben lang gegangen war. Sie hatte die Gegenwart Gottes dort viele Male gespürt, aber nicht mehr, so wurde ihr bewusst, seit Teagardin angekommen war. Ein paar Minuten später beobachtete sie, wie sich Pamela Reaster vom anderen Ende der Straße her näherte und mit einem glücklich strahlenden Ausdruck auf dem hübschen Gesicht die Kirche betrat.
    Am selben Abend fuhr Arvin Emma zum Abendgottesdienst in die Kirche. Lenora hatte Übelkeit vorgetäuscht und gesagt, ihr Kopf fühle sich an, als würde er gleich platzen. Sie hatte nichts gegessen. »Du siehst auch nicht gut aus, so viel steht mal fest«, sagte Emma und fühlte dem Mädchen die Wange. »Du bleibst heute Abend zu Hause. Ich werde die anderen bitten, für dich zu beten.« Lenora wartete in ihrem Zimmer, bis sie Arvins Wagen starten hörte, dann kontrollierte sie, ob Earskell noch immer auf seinem Schaukelstuhl auf der Veranda schlief. Sie ging zur Räucherhütte und öffnete die Tür. Dort blieb sie eine Weile stehen und wartete, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. In einer Ecke hinter ein paar Fischreusen fand sie ein Seil und knotete eine Schlinge ans Ende. Dann schob sie einen leeren Fetteimer in die Mitte des kleinen Schuppens, stieg darauf und wickelte das andere Ende des Seils sieben oder acht Mal um einen der Querbalken. Sie stieg wieder herunter und schloss die Tür. Nun war es im Schuppen dunkel.
    Als sie wieder auf dem Metalleimer stand, legte sie sich die Schlinge um den Hals und zog sie zu.

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