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Das Handwerk des Toetens

Das Handwerk des Toetens

Titel: Das Handwerk des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Gstrein
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den Händen wog, wurde er schon ungeduldig, wie ich es erwartete hatte, und es dauerte nicht lange, und er rückte mit dem Kommentar heraus, ohne den es für ihn offensichtlich nicht ging.
    »Die Reportagen beginnen mit den Schießereien an der österreichisch-slowenischen Grenze und enden im Kosovo«, sagte er in einem Ton halb privater Mitteilung, halb offizieller Verlautbarung. »Dazwischen liegen fast genau acht Jahre und Hunderttausende von Toten.«
    Das waren Zahlen, auf die ich automatisch mit Erschrecken reagierte, und er hätte es gar nicht präzisieren müssen, ich war auf das Schlimmste vorbereitet, als er auf die Blätter deutete, die ich noch über meinen Knien liegen hatte, und plötzlich mit leiser Stimme weitersprach.
    »Zusammen ergibt das eine Bilanz vom Ende Jugoslawiens.«
    Darüber hinaus war es Allmayers ganzes Journalistenleben, das sich darin spiegelte, und es schwindelte mich einen Augenblick, als er von ihm erzählte, daß er außer einem Praktikum bei einer anderen Zeitung nichts vorzuweisen hatte als seine Berichte aus sogenannten Krisengebieten.
    »Du wirst es nicht glauben, wenn ich dir sage, was er eigentlich vorhatte«, begann er dann wieder und wartete gar nicht auf meine Frage. »Nenn mich meinetwegen einen Phantasten, aber er wollte schreiben.«
    Ich versuchte nicht, meine Überraschung zu verbergen.
    »Er hat doch nichts anderes getan.«
    Das hatte ich noch gar nicht ausgesprochen, als er mich schon ansah, wie wenn ich ihn absichtlich mißverstanden hätte, um sich dann gleich dagegen zu verwahren.
    »Du weißt schon, was ich meine«, erwiderte er nur. »Ob du es hören willst oder nicht, für mich war er ein Schöngeist.«
    Es klang wie ein Scherz, ganz abgesehen davon, daß ich das Wort nicht mochte und Allmayer nach allem, was ich mir von ihm vorstellte, wahrscheinlich der letzte gewesen wäre, auf den ich es angewandt hätte, aber als ich wissen wollte, wie er dann bei seiner Drecksarbeit gelandet war, griff Paul den Ausdruck allein schon deshalb auf, um mich darauf festzunageln.
    Das war ganz er, und ich wußte, ich tat gut daran, zu schweigen und ihm nur zuzusehen, wie er mit den Händen in der Luft herumfuchtelte und seine Hiebe austeilte, als würde er mit jedem Vorstoß einen unsichtbaren Gegner köpfen, um die Ehre seines Freundes zu verteidigen.
    »Du kannst davon halten, was du willst, wenn du dir einbildest, etwas Besseres zu sein«, sagte er schließlich. »Aber verrat mir bitte, wer das sonst alles auf sich genommen hätte, ohne zu klagen.«
    Als er dann auch noch meinte, es sei kein Zufall, daß es ausgerechnet einen Bauernsohn aus Tirol erwischt hatte, mußte ich mich zurückhalten, um über die Formulierung nicht laut loszuprusten, so schwülstig war sie, und ich ahnte zum ersten Mal, daß dahinter sein Provinzlerkomplex steckte, von dem Helena später gesprochen hat, sein Selbstmitleid, sich benachteiligt zu fühlen, nur weil er vom Land stammte, sein Ressentiment und seine verquere Vorstellung davon, was ein Mann war.
    »Von den Lackaffen, die sich hier in den Redaktionen tummeln, hättest du doch keinen in den Krieg schicken können«, meinte er. »Die meisten von ihnen wären schon beim ersten Gewehrfeuer nicht mehr zu gebrauchen gewesen und mit vollen Hosen nach Hause geflogen.«
    Das war Unsinn, aber ich ließ ihn reden. Sollte er sich die Welt doch zurechtlegen, wie er sie wollte, mich berührte es nicht. Ich war nicht einmal enttäuscht von ihm, nur ungeduldig, weil ich mit seinen verbohrten Ansichten nichts anfangen konnte, und wartete darauf, daß er zu einem Ende fand.
    Ich erinnere mich nicht mehr genau, worüber wir sonst noch gesprochen haben, weiß aber, daß er loswerden mußte, er sei es gewesen, der Allmayer damals nach seinem Studium auf die Journalistenschule in Hamburg aufmerksam gemacht habe, auf die er dann auch gegangen war. Das erzählte er in einer allzu durchsichtigen Mischung aus Schuldbekenntnis und Stolz, geradeso, als hätte er ihm damit den Weg, und ich fürchte, das heißt auch den Weg ins Unglück gebahnt. Es war dieselbe plötzliche Annäherung an ihn, die ich schon einmal erlebt hatte, sage ich mir, derselbe Drang, eine Verbindung zu ihm herzustellen, die er sofort aufgeben würde, wenn ich ihn auf das Fragwürdige daran hinwies, nur um es dann von neuem zu versuchen, und das so lange, bis ich zu guter Letzt davon ermüdet wäre und ihn gewähren ließe.
    Denn wie sehr er die ganze Geschichte für sein Eigentum hielt, wurde mir

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