Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
ihre Hand nehmen, überlegte es sich aber anders und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sag mal, hättest du Lust, danach noch mit mir in den Sailors Pub zu gehen? Ein paar von uns treffen sich da.«
    November kniff die Augen zusammen. »Wieso?«
    Die Frage schien ihn zu verblüffen. »Wieso? Weil wir uns da immer treffen. Das ist unsere Stammkneipe.«
    »Nein, wieso ich mitkommen soll.«
    Er lächelte sein umwerfendes Lächeln. »Weil ich dich mag«, sagte er. »Und weil ich es toll fände, wenn wir beide ... also ...« Er suchte nach den richtigen Worten, aber November glaubte, verstanden zu haben.
    »Mal sehen«, sagte sie. »Ich weiß es noch nicht. Vielleicht.«
    Er strahlte, als hätte sie zugesagt. »Super, dann bis später. Super.«
    Er polterte die Treppe hinunter, und November hörte, wie er Tante Eliette einen Abschiedsgruß ins Büro rief. Dann knallte die Tür und er war weg.

10
    Warum hatte sie sich breitschlagen lassen, mit Jamie Hewett in diesen blöden Pub zu gehen? Sie hatte doch gewusst, dass dort nur all die anderen grässlichen Dorfjugendlichen rumhängen würden, die ihr auf der Straße schon immer schräge Blicke und dumme Bemerkungen hinterherschickten.
    November setzte sich in die dunkelste Ecke des holzgetäfelten Raumes, ließ sich von Jamie eine Cola holen und schwor sich, nach diesem Glas aufzustehen und nach Hause zu gehen.
    Eine Gruppe Jungs stand um den Billardtisch in der Mitte des Pubs und spielte sich vor den kichernden Mädchen auf, die in der Nähe an einem Tisch saßen. November musterte sie voller Verachtung. Alberne, gackernde, schrille, bemalte Gänse. Quakquakquak.
    Nein, sie war nicht neidisch, dass sie nicht dazugehörte. Was für ein bescheuerter Gedanke! November trank einen erbitterten Schluck.
    Jamie, der gerade mit einem rothaarigen Jungen über irgendetwas lachte, sah zu ihr hin und winkte. »Ich komme gleich«, rief er ihr über die Musik und das Stimmengewirr hinweg zu. November nickte und bewegte die Hand. Lass dir Zeit.
    D ie Tür öffnete sich und ließ einen Schwall frische Luft und neue Gäste ein. Der Junge aus dem Kutscherhaus trat mit zwei Männern in den Pub. November versteckte das Gesicht hinter ihrem Cola-Glas und beobachtete die drei. Sie blieben etwas unentschlossen an der Tür stehen, sahen sich um und gingen dann zu einem Tisch am Fenster. Der kleinere Mann und der Junge setzten sich, der Dritte, ein kräftiger, großer Mann mit Vollbart und lichtem Haar, beugte sich zu ihnen, sprach mit ihnen und drängte sich dann in das Nebenzimmer zur Theke durch.
    November fasste den Jungen genauer ins Auge. Er saß neben dem Mann, der ganz offensichtlich sein Vater war, denn die beiden sahen sich sehr ähnlich. Sein blasses Gesicht wirkte schmal und angestrengt, als hätte er Schmerzen oder wäre krank. Er hatte die Schultern hochgezogen und die Arme wie zum Schutz vor den Körper gelegt, während er die Dorfjugendlichen beobachtete.
    Im Museum hatte er sie angelächelt – wenn auch ein wenig angestrengt – und seine karamellbraunen Augen waren voller Licht gewesen.
    Sie beugte sich ein wenig vor. Sein Vater war der Schriftsteller, sie hatte ihn einmal bei Lizzie im Laden getroffen. Und der andere, der Große, der sich jetzt gerade mit drei Gläsern in der Hand wieder zum Tisch vorarbeitete, war der ... der Lebensgefährte. Angeblich ein Professor aus London. So sah er allerdings nicht aus, sondern eher wie einer der Trucker oder Handwerker, die an der Theke ihr Bier tranken.
    Sie schreckte hoch, weil eine Hand auf ihrer Schulter landete. Jamie schwang sich neben sie. »Und, wen starrst du da an?« Er folgte ihrem Blick und runzelte die Stirn. »Die Schwulen und der Wechselbalg. Was wollen die hier?«
    » Das ist nicht sehr freundlich«, sagte November. »Sie haben dir doch nichts getan.«
    Er zuckte die Achseln. »Solche Leute wollen wir hier nicht«, sagte er, und November wusste, dass er einen der Erwachsenen zitierte, wahrscheinlich seinen Vater.
    »Das ist ganz schön engstirnig«, murmelte sie. »Echt, Jamie. Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter.« Das sagte Tante Eliette immer.
    Er hörte ihr gar nicht richtig zu, das konnte sie sehen. Er starrte die Gruppe am Fenster an, dann sprang er auf und ging zu seinen Kumpels. November konnte hören, wie die ersten höhnischen Bemerkungen in Richtung Fenster flogen. Unangenehmes Gelächter. Einer der Jungen fing lautstark an, Schwulenwitze zu erzählen.
    Sie biss die Zähne aufeinander, stand auf und

Weitere Kostenlose Bücher