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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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ich die Tropfen wegblinzelte, war auch Jeannie weg.
    Das alte Hafengelände sah im Regen noch trübsinniger und schmutziger aus als bei Sonnenschein. Ich klopfte an die Tür des Schuppens und sah mich gleichzeitig um. Bewegte sich da etwas im Gebüsch?
    Ich klopfte wieder. Kein Licht im Schuppen, kein Laut, der auf seinen Bewohner hindeutete. »Mr Skegg?«, rief ich. »Ich bin es, Adrian.«
    Hinter mir knarrte etwas, Metall kratzte über Metall. »Hier bin ich, Junge«, antwortete Skegg knurrig. Ich drehte mich um und sah seinen Kopf, der aus der Schiebetür des Campingbusses h ervorkam. Also hatte er dort seinen Schlafplatz – so verpennt, wie er aussah, hatte ich ihn aus dem Bett geholt. Ich hob den Rucksack in die Höhe und schüttelte ihn, dass die Flaschen leise gegeneinanderklirrten.
    Der Weckruf funktionierte. Er hob den Daumen, winkte und zog den Kopf zurück. Ich war nicht scharf darauf, das Innere der Rostlaube zu betreten, aber andererseits war es auch nicht lustig, im Regen zu stehen. Also lief ich hinüber und kletterte in den Bus.
    Ich hatte nicht erwartet, dass es hier warm, sauber und gemütlich sein würde.
    War es auch nicht. Der Bus war genauso dreckig, feucht und übel riechend wie Skeggs Schuppen. Das Bett, aus dem ich ihn gerade geholt hatte, war eine schmale Campingliege, auf der schmutzige und löchrige Decken und Laken in unordentlichen Haufen zusammengekrumpelt lagen. Skegg stand in Unterhemd und Jeans an einem winzigen Waschbecken und putzte sich die Zähne. »Setz dich«, nuschelte er.
    Ich sah mich ein wenig hilflos um. Da war nichts, worauf ich mich hätte setzen können – außer dem Bett. Und darauf wollte ich mich wirklich nicht niederlassen. Ich nickte also und blieb stehen.
    Er spuckte Schaum in das Waschbecken und spülte mit etwas nach, was zu scharf roch, um Wasser zu sein. Seine Augen waren gerötet. »Was hast du mitgebracht?«, fragte er und rubbelte mit einem schmutzigen Handtuch über sein Gesicht und die Haare.
    Ich stellte den Rucksack auf das Bett und öffnete ihn. Sein Blick klebte förmlich an den Flaschenhälsen. Ich zog die verabredeten sechs Flaschen heraus und legte sie aufs Bett.
    E r seufzte und berührte eine davon mit einer Zärtlichkeit, als hätte ich ihm sein Neugeborenes präsentiert. Dann runzelte er die Stirn. »Wasser?«
    »Ich hab sie umgefüllt, damit es nicht auffällt«, sagte ich. Er griff die erste, schraubte sie auf, roch daran. Nahm einen Schluck. Schloss die Augen. Trank noch einmal. Schraubte die Flasche wieder zu. »Gehen wir rüber.«
    Die Kiste stand schon auf dem Tisch. Er öffnete sie mit einem Schlüssel, den er um den Hals gehängt trug. Gestern war sie noch offen gewesen, fiel mir auf. Wahrscheinlich hatte er Angst gehabt, ich könnte zurückkommen und ihn beklauen.
    »Einen Schuhkarton voll«, sagte er warnend. »Kein Blatt mehr.«
    Mist. An alles hatte ich gedacht, aber nicht an einen Karton. Ich sah Skegg ratlos an. »Geht auch mein Rucksack?«
    Er verschränkte die Arme. »War so nicht abgemacht«, sagte er knurrig.
    Ich öffnete den Rucksack und zog die siebte Flasche hervor. »Hier. Ein Geschenk.« Ich schob sie ihm hin. Er starrte sie an wie den Weihnachtsmann. Dann mich. Kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Was soll das sein?«
    »Ein Geschenk«, wiederholte ich. »Weil Sie mir helfen.«
    Er schnaufte überrascht und nahm die Flasche so vorsichtig entgegen, als hätte er Sorge, sie könnte explodieren. »Niemand schenkt mir was«, sagte er. »Noch nie. Du willst was dafür.«
    »Nee«, sagte ich. »Wir hatten einen Schuhkarton voller Infos ausgemacht, für sechs Flaschen. Das ist der Deal. Die Flasche da ist mein Geschenk. Weil Sie Zeit für mich haben.«
    E r riss die Augen auf. Sein verkniffenes Gesicht entspannte sich, und wieder bekam ich eine Ahnung, wie Milton Skegg in jüngeren Jahren ausgesehen haben musste. Ich konnte ihn sehen, wie er energisch und voller Schwung seinem Job als Journalist nachging, Augenzeugen befragte, Artikel in seinen Computer hackte ...
    Der Augenblick verging, Skeggs Schultern in dem löchrigen Unterhemd sanken wieder rund nach vorne. Er senkte den Blick auf die Kiste. »Such dir raus, was du brauchst«, sagte er rau. »Ich kontrolliere nachher, was du im Rucksack hast. Keine Tricks, Bursche – ich kenne sie alle!«
    Er ging hinaus und ließ mich mit seiner Schatzkiste allein. Ich begann, mir alles anzusehen. Schaufelte all das Papier auf den Tisch, ordnete es in Häufchen, versank in

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