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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Kuchen stehen lässt. Man muss nur schneller als die Tauben oder die Kellnerinnen sein.
    Gerade hat eine Kellnerin einen Obdachlosen weggescheucht, der genau das versucht hat.
    Dabei geht es mir wie ihm. Auch ich habe kein Obdach.
    Ich habe echt Angst.

Kapitel 32
    Ich wurde mit dem Gefühl wach, dass ich kaum geschlafen hätte. Das hatte ich auch kaum. Ich hatte von Jess geträumt, von Jess in London. Von Aidan und dem Brief. Ich hatte das Dinner mit Henrietta noch einmal durchlebt. Als ich im Traum Charlie angerufen und um Rat gebeten hatte, hatte er bloß lachend aufgelegt. Dann war Lucas verschwunden. Ich war von Zimmer zu Zimmer gerannt und hatte überall nach ihm gesucht, doch er war hinter keiner der vielen Türen, die ich öffnete.
    Das Haus war mein Refugium gewesen. Nun aber verband ich es mit einem fremden Gefühl. Ich hatte ein fremdes Gefühl. Mein Herz flatterte, es wurde eng in der Brust. Das Zimmer bedrängte mich. Der Beginn einer Panikattacke. Ich kannte die Symptome. Das durfte ich nicht zulassen. In dieser Situation half nur, konkret etwas zu tun, mich zu sammeln, auf etwas in der Nähe, in der Gegenwart zu konzentrieren.
    In meinen Gedanken war nur Aidans Brief.
    Ich konnte ihn nicht öffnen. Nicht in dem Moment.
    Ich stand auf. Ich zog mich an. Fort, nur fort. Weg aus London, hier und jetzt. Aber das ging nicht. Noch nicht. Das konnte ich Lucas nicht antun. Er brauchte meine Hilfe.
    Ich lief im Zimmer auf und ab. Mein Verstand raste, ein Gedanke nach dem anderen schoss mir durch den Kopf. Die Vorstellung, dass Lucas aus London fortziehen würde, war mir unerträglich. Wie sollte ich ihn unter der Bedingung bitten, sein Haus zu verkaufen? Dass Henrietta mich um Hilfe gebeten hatte, war mir unerträglich. Wenn sie unbedingt wollte, dass er das Haus verkaufte, dann sollte sie das mit ihm klären. Ich wollte damit nichts zu tun haben. Ich wollte ihr nicht helfen.
    Ich musste ihr nicht helfen.
    Wieso war mir der Gedanke nicht schon längst gekommen? Wieso hatte ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich ihr helfen könnte? Ich musste ihrem Wunsch nicht Folge leisten. Sie war nicht meine Tante. Selbst wenn sie Lucas heiraten sollte, würde ich sie nie als meine Tante ansehen. Ich würde Lucas weiterhin besuchen, dafür würde ich sorgen, aber nicht in ihrer Gegenwart. Das wäre kein Problem. Vielleicht, falls ich dann noch in Europa lebte, wäre Paris ein guter Treffpunkt.
    Doch wohin mit mir? Wo könnte ich leben? Ich hatte gespart, zum Reisen reichte es. Das war die Lösung. Ich würde auf Reisen gehen. Falls – wenn Lucas das Haus verkaufte und nach Frankreich zog, würde ich erst einmal nach Boston fliegen. Ich hatte Charlie fast zwei Jahre nicht gesehen. Und dann? Zurück nach London? Könnte ich Kontakte aus meiner Zeit in Bath aktivieren? War es für mich vorstellbar, in London als freie Redakteurin zu arbeiten? Ich könnte mir eine billige Wohnung mieten, nicht hier, nicht in dieser Gegend, das würde mir zu schwerfallen, aber in einem anderem Viertel. Ja, in einem neuen Teil der Stadt …
    Plötzlich war ich voller Energie. Ich schmiedete wieder Pläne. Ich wollte loslegen, gleich heute, hier und jetzt. Genau! Ich würde heute noch zu Henrietta gehen. Auf der Stelle. Und ihr sagen, dass es mir sehr leidtue, doch sie müsse, was den Verkauf des Hauses anging, selbst mit Lucas sprechen.
    Die Studenten waren bereits fort. Lucas war im Gegensalon. Ich klopfte an die Tür und wünschte ihm einen guten Morgen. Ich erwähnte wie nebenbei, dass ich kurz zu Henrietta fahren wollte. Lucas war in Gedanken bei der Arbeit, doch seine Freude war nicht zu übersehen. Ich machte ihm weis, dass ich mir ein Buch von Henrietta leihen wollte. Wie lautete noch mal ihre Adresse? Das schaffte man zu Fuß, oder?
    »Wenn man Zeit hat, schafft man alles zu Fuß«, erwiderte er und lächelte.
    Er gab mir die Adresse und eine Wegbeschreibung. Henrietta wohnte in Kensington, das bedeutete einen Fußweg von vierzig Minuten. Ich rief nicht an. Ich wollte es dem Schicksal überlassen. Wenn sie nicht zu Hause wäre, müsste ich zu einem anderen Zeitpunkt wiederkommen.
    »Heute Abend haben wir ein volles Haus, Ella«, sagte Lucas, als ich mir im Eingang Schal und Mantel anzog. »Glaubst du, du könntest für uns alle kochen?«
    »Aber sicher«, entgegnete ich und staunte, wie entspannt ich klang. »Wie wäre es mit meinem berühmten Thai Curry?«
    »Das wäre großartig. Viel Spaß mit Henrietta. Grüß sie von

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