Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
Herausforderung wäre, diese E-Mails aufzusetzen. Meine Kollegen aus dem Verlagswesen hatten fast zwei Jahre nichts von mir gehört.
»Die müsste ich sehen. Und selbstverständlich Arbeitsproben.«
»Ich habe hier in London von allen Büchern Belegexemplare.« In Lucas’ Regalen standen sämtliche Werke, die ich jemals redigiert hatte. Ich hatte ihm immer eine Ausgabe geschickt.
»Ich würde Sie stundenweise honorieren.« Der Betrag, den er nannte, war drei Mal höher als der Satz, den ich in Australien erhalten hatte. »Sie müssten für Ihr Geld arbeiten. Das würde eine langfristige Verpflichtung. Und Sie müssten einen Vertrag unterzeichnen, wonach Sie nicht mitten im Projekt aufgeben, falls es doch zu anstrengend wird.« Er sprach, als ob ich sein Angebot bereits akzeptiert hätte. »Außerdem müssten Sie hier im Haus arbeiten. Die Materialien sind zu wertvoll, die kann ich nicht aus der Hand geben. Aber Sie könnten Henriettas Arbeitszimmer nutzen. Sie wird es dann ja nicht mehr brauchen.«
Er hatte das Thema angeschnitten. Nun musste ich darauf eingehen. »Nein. Das tut mir leid.«
»Das tut Ihnen leid? Wieso?«
Ich wurde rot. Jetzt gab es kein Zurück mehr, nicht, wenn er mich wieder so gebieterisch ansah. Ich entschuldigte mich erneut. »Ich hätte es nicht erwähnen dürfen.«
»Nun bin ich neugierig. Was tut Ihnen leid, Miss Fox?«
Ich kam mir vor, als stünde ich im Alter von sechs Jahren vor dem Schuldirektor. Ich stotterte. »Dass Sie sich scheiden lassen. Dass sie mit Lucas nach Frankreich geht …«
»Ach, tatsächlich? Und ich hatte angenommen, sie würde lediglich emeritiert.« Er stand auf, ging zur Tür und brüllte – und er brüllte laut – Henriettas Namen. Ich rührte mich nicht. Mir hatte es die Sprache verschlagen. Er wartete an der Tür.
Nach einigen Minuten qualvoller Stille erschien Henrietta.
»Um Himmels willen, Claude. Ich war am Telefon. Was ist denn los?«
Er wies mit dem Kinn in meine Richtung. »Die junge Dame hat mich soeben davon in Kenntnis gesetzt, dass wir uns scheiden lassen, weil du mit Lucas Fox nach Frankreich gehen willst. Das freut mich für euch. Aber wolltest du mir das auch irgendwann mitteilen?«
Kapitel 33
Von: Charlie Baum
An: Walter Baum
Betreff: Jess
Wenig Glück bisher. Habe auch nicht viel mehr rausbekommen. Die Hotelmanagerin sagt, sie hat ausgecheckt, alles ist bezahlt. Aber mach dich nicht verrückt, weil sie die Karte nicht benutzt. Vielleicht gibt es ja eine ganz simple Erklärung. Und, nein, ich würde Lucas nicht um Hilfe bitten. Er hat mit Ella schon genug zu tun. Ich kümmere mich morgen um einen Flug. Ich bin in sieben Stunden in London. Bleib du erst mal zu Hause. Mach dir nicht allzu viele Sorgen. Und sag Meredith das auch. Jess hat wahrscheinlich eine super Rolle ergattert und ist unterwegs und feiert.
Kapitel 34
Liebes Tagebuch,
es ist etwas Furchtbares passiert. Ich weiß nicht, was ich tun soll.
Ich kann nicht darüber schreiben.
Ich will zu meiner Mum.
Kapitel 35
Ich rannte aus dem Haus. Nur mit Mühe gelang es mir, das Tor zu öffnen.
»Sie dummes, dummes, idiotisches Stück«, hatte mich Henrietta gescholten. »Sie haben alles ruiniert.«
Ich hatte um Worte gerungen. »Aber Sie haben doch gesagt, Sie haben doch erzählt …«
»Das reicht, Miss Fox, danke sehr«, hatte sich Dr. Samson eingemischt. »Die Drecksarbeit für Ihren Onkel ist erledigt. Wir wären jetzt gern allein.«
»Mir war nicht bewusst. Es tut mir lei …«
»Raus, Ella«, hatte Henrietta gesagt. »Auf der Stelle!«
Als ich endlich auf der Straße stand, war ich vollkommen verwirrt und den Tränen nahe. Ich hatte mir das doch nicht eingebildet, oder? Henrietta hatte mir erzählt, dass sie sich scheiden lassen wollte? Sie hatte mich gebeten, Lucas von einem Hausverkauf zu überzeugen? Allmählich zweifelte ich an meinem Verstand. Ich war an diesem Morgen so unruhig gewesen, ich hatte so viele verstörende Traumbilder im Kopf gehabt. Hatte ich es irgendwie geschafft, mir all das einzubilden?
Nein, ganz sicher nicht. Henrietta hatte mir erzählt, dass die Scheidung bevorstand. Auf Betreiben ihres Manns, der ihr eine Affäre gestanden hatte. Und ich hatte das Gespräch mit ihrem Anwalt im Taxi mitgehört. Das war keine Einbildung. Sie hatte über ihre Finanzen gesprochen.
Mir war schlecht. Wie würde Lucas reagieren, wenn er hörte, was ich angerichtet hatte? Ich musste so schnell wie möglich zu ihm. Ich rannte zur nächsten Hauptstraße
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